Sie sehen aber gar nicht gut aus!
war niemand mehr. Das grüne Laken hing zur Hälfte von der Liege hinunter. Das Kopfteil war verschoben, überall hingen Schläuche. Instrumente lagen herum, alles war ein einziges Chaos. Das Schockraumteam hatte es scheinbar eilig gehabt. Auf den riesigen TFT-Monitoren war das Innere eines Menschen zu sehen. Auf einem der CT-Bilder las ich meinen eigenen Nachnamen.
Irgendwo ertönte ein Alarmgong. Die Stimme einer Frau überschlug sich und befahl einen Doktor Schmid dringend in die Notaufnahme. Grelle Neonlichter wiesen mir meinen Weg, während meine Schritte den sterilen leeren Korridor entlanghallten.
»Zu wem möchten Sie?« Eine aufmerksame junge Krankenschwester nahm sich meiner an.
»Ich suche meine Frau. Sie kam per Hubschrauber über den Schockraum«, antwortete ich dankbar, nannte meinen Nachnamen und folgte der Schwester, die etwas in einen Computer tippte.
»Ihre Frau liegt auf der chirurgischen Station. Am Ende des Ganges nehmen Sie den Aufzug in den dritten Stock.« So habe ich sie endlich gefunden. Helena konnte trotz der Tatsache, jetzt einige Wochen im Fixateur liegen zu müssen, schon wieder Witze reißen und schien ganz die Alte. Genau wie ich war sie sehr froh, dass sie ohne Operation davonkam. Ob wir denn am nächsten Tag ausreiten wollten, da es so ein schöner Tag werden solle, und dann am Abend Essen gehen, fragte sie mich. Ich grinste nur, denn ich kapierte zunächst gar nichts. Außer dass der Unfall glimpflicher abgelaufen sein musste, als ich zunächst angenommen hatte.
Vorweggenommen: Meine Frau hat den Reitunfall annähernd ohne Folgeschäden überstanden. Die gebrochenen Hüftknochen sind wieder zusammengewachsen. Sie hatte noch nicht einmal Angst, danach wieder aufs Pferd zu steigen. Das Glück war an diesem Tag auf ihrer Seite gewesen – ich habe Menschen schon mit deutlich weniger Verletzungen sterben sehen.
Mir wurden durch diesen Vorfall einige Lektionen zuteil, die ich seitdem sowohl für mein Wirken als Rettungsassistent als auch für mein persönliches Leben einsetze.
Die wichtigste war, dass es vollkommen unmöglich ist, sich als Angehöriger am Unfallort professionell zu verhalten. Man stört den Ablauf – ob man will oder nicht. Und man mutiert zum hilflosen kleinen Kind, wenn eine nahestehende Person verletzt ist. Eine weitere Lektion war, dass es für alle Beteiligten am hilfreichsten ist, in einer solchen Situation nicht auszurasten, obwohl das unglaublich schwierig ist. Aber man kann die Lage durch eigene Kopflosigkeit nicht verbessern, sondern nur verschlimmern.
Und natürlich die Lektion, dass die eigene Gesundheit und die Gesundheit nahestehender Menschen das höchste Gut überhaupt sind und man selbst nicht unbesiegbar ist.
Ach ja: Auch das Pferd hat den Sturz unbeschadet überstanden. Obwohl meine Frau sehr zierlich ist, hat sie den Aufprall der Stute erfolgreich gedämpft. Nur die Reithose erlitt ein irreparables Polytrauma. Diagnose: »Tod durch Zerschneiden mit einer Rettungsschere«.
Über den Autor
Christian Strzoda, Jahrgang 1974, leistet seit knapp 20 Jahren an circa 2000 Stunden pro Jahr Rettungsdienst in einer Gegend, in der sich das Einsatzaufkommen innerhalb der letzten Jahre rapide erhöht hat. Er arbeitete zudem mehrere Jahre in einer deutschen Rettungsleitstelle und kennt auch diese Seite des Rettungseinsatzes.
Dank
Ich mag eigentlich keine schwülstigen Dankesseiten. Trotzdem haben einige Leute gewaltig zur Entstehung dieses Buches beigetragen. Unter anderem „Lenny“, der in der Realität wirklich existiert und über die Jahre zu meinem besten Freund geworden ist. Er macht mein Leben so viel leichter.
Toll sind natürlich auch meine Kollegen – ob sie den Job nun in ihrer Freizeit oder hauptberuflich machen. Es macht wirklich Spaß mit euch!
Meinen beiden Chefs danke ich für die Offenheit zu diesem Thema.
Auch den Mitarbeitern der Leitstelle hier in meiner Nähe gebührt Dank – für die Lieferung skurriler Episoden, ohne die ganze Kapitel dieses Buches fehlen würden, und für all die kleinen Nettigkeiten, über die wir Retter da draußen so herzlich lachen können. Möge es immer so weiter gehen, damit es irgendwann für einen zweiten Teil reicht.
Und noch ein Dank an die, die wissen, wofür.
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