Sie und Allan
hatten.
Irgendwann einmal mußte ein Eingeborenendorf hier gestanden haben; wahrscheinlich war es schon vor vielen Jahren von den Zulus zerstört worden, denn ich fand vom Alter geschwärzte menschliche Knochen im hohen Gras. Der Rinderkraal war noch immer in so gutem Zustand, daß wir nur da und dort die Wälle mit ein paar Steinen ausbessern und den schmalen Eingang mit Dornengestrüpp sperren mußten, um ihn als Nachtpferch für unsere Ochsen verwenden zu können. Ich wollte die Tiere nachts nicht frei umherlaufen lassen, aus Furcht, daß es hier Löwen geben könnte, obwohl ich bisher noch keine gesehen oder gehört hatte.
So gingen die Tage recht angenehm dahin, mit reichlichem Essen, denn wenn wir Fleisch wollten, brauchte ich nur ein paar Schritte zu gehen, um einen feisten Antilopenbock zu schießen, da diese Tiere abends an den Bach zur Tränke kamen, bis schließlich die Vollmondnacht anbrach. Darüber waren wir froh, weil ich mich, um ehrlich zu sein, allmählich zu langweilen begann. Ruhe ist etwas sehr Schönes, doch für einen Mann, der immer ein sehr aktives Leben geführt hat, ist ein Zuviel davon sehr schlecht, denn dann beginnt er nachzudenken, und zuviel Denken ist überaus deprimierend. Von dem feuerfressenden Umslopogaas war nichts zu sehen, also faßte ich den Entschluß, am nächsten Morgen nach den Elefanten zu suchen, und dann nachdem ich ein paar davon geschossen hatte – oder auch, wenn mir das nicht gelingen sollte – nach Natal zurückzukehren. Ich konnte einfach nicht länger tatenlos herumsitzen; die Gabe dafür hat mir schon seit jeher gefehlt, was vielleicht der Grund dafür ist, daß ich meine vielen Mußestunden hier in England dazu benutze, solche Erinnerungen wie diese niederzuschreiben.
Nun, der volle Mond stieg in seiner ganzen Pracht über den Horizont, und nachdem ich ihn eine Weile betrachtet hatte, und auch das ganze Veld, das ich von hier aus überblicken konnte, legte ich mich schlafen. Eine Stunde oder zwei später weckte mich irgendein Geräusch aus der Richtung des Rinderkraals. Da es sich nicht wiederholte, wollte ich schon weiterschlafen, doch dann kam mir ein beunruhigender Gedanke: ich konnte mich nicht erinnern, mich davon überzeugt zu haben, daß der Eingang richtig verschlossen war, wie ich es mir zur Gewohnheit gemacht hatte. Es war die gleiche Art unruhigen Zweifels, die einen in einem zivilisierten Haus aus dem Bett steigen und durch den kalten Korridor ins Wohnzimmer gehen läßt, und nachzusehen, ob man alle Lichter gelöscht hat. Es stellt sich dann immer heraus, daß man es getan hat, was jedoch nicht eine Wiederholung dieser Handlung verhindert, sobald erneut solche Zweifel in einem aufsteigen. Ich sagte mir, das Geräusch mochte davon herrühren, daß die Ochsen durch den nachlässig verschlossenen Zugang ins Freie drängten, und daß ich auf jeden Fall lieber nachsehen sollte. Also zog ich meine Jacke und die Stiefel an und ging zum Kraal, ohne Hans oder einen der Diener zu wecken, und nahm nur eine Lampe und die einläufige Büchse mit, die ich für Gazellen und anderes kleineres Wild benutzte, steckte jedoch keine Reservepatronen ein.
Vor dem Eingang des Rinderkraals stand ein einzelner, riesiger Baum der Wildfeigenart. Als ich unter der ausladenden Krone dieses Baums hindurchging, blickte ich zum Einlaß des Rinderkraals und sah, daß er sorgfältig mit Dornengestrüpp verschlossen war, wovon ich mich, wie mir jetzt einfiel, bereits bei Sonnenuntergang überzeugt hatte. Ich wollte wieder zurückgehen, hatte jedoch noch keine zwei, drei Schritte getan, als ich im hellen Licht des Mondes den Kopf meines kleinsten Ochsen, das Tier einer Zulu-Rasse, plötzlich über dem Wall des Kraals auftauchen sah. An dieser Tatsache wäre an sich nichts Erstaunliches gewesen, wenn ich nicht an den geschlossenen Augen und der heraushängenden Zunge erkannt hätte, daß dies der Kopf eines toten Tieres war.
»Was, um alles in der Welt ...«, murmelte ich, als meine Gedanken durch das Auftauchen eines zweiten Kopfes unterbrochen wurden, und dieser Kopf gehörte einem der größten Löwen, die ich jemals gesehen hatte. Er hatte den Ochsen bei der Gurgel gepackt und seinen Körper unter ihn geschoben, um ihn, mit der gewaltigen Kraft, die diese Raubtiere besitzen, über den Wall zu wuchten, fortzuschleppen und dann in aller Ruhe zu fressen.
Dort war diese Bestie nun, nur drei Schritte von mir entfernt, und vor allem, sie hatte mich im gleichen Augenblick gesehen,
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