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Sie und Allan

Sie und Allan

Titel: Sie und Allan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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als ich sie bemerkt hatte, und verhielt reglos, ohne jedoch ihre Zähne von der Gurgel des Ochsen zu lösen.
    ›Was für eine Chance für Allan Quatermain! Natürlich hat er den Löwen sofort erschossen!‹ Man kann sich vorstellen, daß das alle Menschen denken, die meinen Ruf kennen und wissen, daß ich durch eine Gnade Gottes gut mit einem Gewehr umgehen kann. Nun, natürlich hätte es auch so gehen sollen, denn selbst bei der kleinkalibrigen Büchse, die ich bei mir hatte, würde die Kugel durch die weichen Teile des Halses ins Gehirn dringen und den Löwen so tot umfallen lassen wie Julius Cäsar nach einem Dutzend Messerstichen. Theoretisch war die Situation also recht einfach, und obwohl ich im ersten Augenblick überrascht gewesen war, hatte ich bis zu dem Moment, da ich das Gewehr an die Schulter riß, überhaupt keine Bedenken, daß etwas schiefgehen könnte – es sei denn, daß die Patrone nicht feuerte – besonders, da der Löwe so verblüfft war, daß er reglos verharrte.
    Doch dann passierte das Unvorhersehbare, wie es so oft im Leben der Fall ist, und wie es bei mir fast schon zu den Alltäglichkeiten gehört. Ich drückte ab, traf aber durch einen unglücklichen Zufall die Spitze eines Horns dieses verdammten Ochsen, die sich vor der Stelle befunden haben mochte, auf die ich gezielt hatte, oder unmittelbar vor dem Abdrücken davorgefallen war. Resultat: die Kugel wurde abgelenkt und durchschlug nur das Fell am Hals des Löwen, gerade tief genug, um zu schmerzen und ihn in rasende Wut zu versetzen.
    Er ließ den Ochsen fallen und sprang laut aufbrüllend über den Wall auf mich zu. Ich erinnere mich, daß er mir mehrere Meter lang erschien, mehrere Meter Löwe, an deren vorderem Teil eine Höhle voller gleißender Zähne zu sitzen schien.
    Ich warf mich rückwärts und gleichzeitig ein Stück zur Seite, weil ich nichts anderes tun konnte, und dachte dabei zusammenhanglos, daß Zikalis Große Medizin doch keinen Schuß Pulver wert war. Der Löwe landete auf meiner Seite des Walls und richtete sich auf die Hinterläufe auf, um zur Sache zu kommen, und er überragte mich weit. Und dann sah ich etwas Seltsames: ein vom Mond geworfener Schatten huschte an mir vorbei – alles, was ich erkennen konnte, war der vage Umriß einer riesigen, geschwungenen Axt. Der Schatten huschte vorbei, und ein zweiter Schatten, der einer Löwenpranke, die zu Boden fiel. Dann hörte ich ein entsetzliches Brüllen, und als ich herumfuhr, sah ich einen Kampf, wie ich ihn nie wieder sehen werde. Ein hochgewachsener schwarzer Mann kämpfte mit dem riesigen Löwen, dem jetzt zwar eine Pranke fehlte, der jedoch noch immer aufgerichtet auf seinen Hinterläufen stand und mit der anderen Pranke nach ihm schlug.
    Der Mann, der sich absolut lautlos bewegte, wich dem Hieb aus und schlug mit der Axt zurück, traf das Tier mit einer solchen Wucht an die Brust, daß es zu Boden geschleudert wurde und ein wenig schräg dort landete, weil es ja nur noch eine Vorderpranke hatte, um sich abzustützen.
    Wieder blitzte die Axt, und bevor der Löwe sein Gleichgewicht wiedererlangt hatte oder irgend etwas unternehmen konnte, fuhr sie nieder und krachte in seinen Schädel. Und damit war es vorbei, da die Axt das Gehirn der Bestie in zwei Teile gespalten hatte.
    »Es scheint, daß ich gerade zur rechten Zeit erschienen bin«, sagte Umslopogaas, denn er war es, der seine Axt aus dem gespaltenen Schädel des Löwen riß, »um dich die Nacht bewachen zu sehen, wie du es dem Vernehmen nach immer tust.«
    »Nein«, erwiderte ich, von seinem Ton irritiert, »du hast dich verspätet, Bulalio, denn der Mond steht schon seit einigen Stunden am Himmel.«
    »Ich habe versprochen, Macumazahn, daß wir uns in der Nacht des vollen Mondes treffen würden, nicht bei seinem Aufgang.«
    »Das ist richtig«, antwortete ich besänftigt, »und du bist zumindest im richtigen Augenblick erschienen.«
    »Ja«, antwortete er, »obwohl diese Sache bei dem guten Licht eine Kleinigkeit war für jeden, der eine Axt schwingen kann. Wenn es dunkler gewesen wäre, hätte es anders ausgehen können. Aber, Macumazahn, du bist doch nicht so klug, wie ich angenommen hatte, denn sonst wärst du nicht mit einem solchen Spielzeug gegen einen Löwen angetreten.« Er deutete auf die kleine Büchse, die ich in meiner Hand hielt.
    »Ich wußte nicht, daß ein Löwe hier war, Umslopogaas.«
    »Eben deshalb bist du nicht so klug, wie ich angenommen hatte, da es immer und überall einen Löwen

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