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Sie und Allan

Sie und Allan

Titel: Sie und Allan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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hier in meinem Schrein Aphrodite von den Griechen angebetet, die meine Feindin ist. Ja, in dem ewigen Kampf zwischen dem Geist und dem Fleisch hast du die Partei des Fleisches ergriffen. Deshalb hasse ich dich und füge meinen Fluch dem zu, den Aphrodite dir auferlegt hat, und welchen ich, hättest du zu mir gebetet und nicht zu ihr, nun von deinem Herzen genommen hätte. Diesen Mann, den du dir erwählt hast, welcher Schönheit besitzt und nichts sonst, sollst du lieben, wie es dir von der Pathianerin auferlegt wurde. Mehr noch: Deine Liebe soll mit seinem Blut deine Hände besudeln, und du darfst ihm nicht ins Grab folgen. Denn ich werde dir die Quelle des Lebens zeigen, und du sollst aus ihr trinken und noch schöner werden, als du es jetzt schon bist, und so deine Rivalin besiegen. Und wenn er tot ist, sollst du in Trauer und Einsamkeit an einem verlassenen Ort darauf warten, daß er wiedergeboren und dich finden wird. Und dies alles soll nur der Anfang deiner Leiden sein, da du durch alle Zeiten deinem Schicksal folgen sollst, bis es dir schließlich gelingt, diesen Mann durch die Bande der Liebe und durch Verlust und Leiden auf die Höhe emporzubringen, auf der deine eigene Seele steht. Außerdem sollst du dich während dieser ganzen Zeit selbst verachten, was sowohl für Männer als auch für Frauen das härteste Los ist, denn du, die du die seltene Gabe des Geistes auf einer Tafel vor dir ausgebreitet liegen siehst, hast den Trog des Fleisches vorgezogen.‹
    Darauf, Allan, gab ich der Göttin eine stolze Antwort. ›Mächtige Herrin vielerlei Gestalt, die in allem Lebenden erscheint‹, sagte ich, ›höre mich! Ein böses Schicksal hat mich befallen, doch war ich es, die sich dieses Schicksal erwählte? Kann ein Blatt dem Sturm widerstehen? Kann ein fallender Stein seine Richtung ändern und zum Himmel emporfliegen? Können die Gezeiten aufhören zu strömen, wie die Natur es ihnen befiehlt? Eine Göttin, die ich gekränkt habe, jene Göttin, deren Macht die ganze Welt erhält, hat mich mit einem Fluch belegt, und weil ich mich vor dem Sturm geneigt habe, da mir nichts anderes übrig blieb, wenn ich nicht zerbrechen wollte, hat eine andere Göttin, der ich diene, du selbst, o Isis, noch einen Fluch auf mich geladen. Wo ist da die Gerechtigkeit, o Göttin des Mondes?‹
    ›Nicht hier‹, antwortete sie, ›doch in weiter Ferne lebt die Gerechtigkeit und soll schließlich von dir erlangt werden, und da du so stolz und hochfahrend bist, ist es dir auferlegt, ihr Gesicht mit den verbundenen Augen durch viele Äonen zu suchen. Doch endlich, denke ich, wird sie deine Sünden gegen ihre Gewichte abwägen und feststellen, daß die Waage ausgeglichen ist. Deshalb höre auf, die hohen Gesetze des Schicksals anzuzweifeln, die du nicht begreifen kannst, und ergib dich dem Leiden, wobei du dich daran erinnern solltest, daß alle Freude aus der Wurzel des Leides entspringt. Wisse außerdem – dies zu deinem Trost – daß die Weisheit, die du besitzest, wachsen und gedeihen soll, und mit ihr deine Schönheit und deine Macht; außerdem, daß du schließlich mein Gesicht wiedersehen sollst, zum Zeichen dessen ich dir mein Symbol zurücklassen will, das Sistrum, das ich in der Hand halte, und mit ihm diesen Befehl: Folge diesem falschen Priester meines Dienstes, wohin er auch gehen mag, und tue, was ich bestimmt habe, und wenn du ihn bei seinem Ende verlierst, warte, während die Generationen dahingehen, bis er wiederkehrt! Dies und nichts anderes ist dein Schicksal.‹
    Die Vision verblaßte, und als ich erwachte, fiel das Licht der aufgehenden Sonne auf das Standbild der Göttin in dem Schrein. Und auf das juwelenbesetzte heilige Instrument, das ihre Hand in meinem Traum gehalten hatte, das Sistrum ihres Kultes, geformt wie die Schleife des Lebens, das magische Symbol, das sie mir versprochen hatte, in welches ihre Macht gebettet war, die von nun an mir gehörte.
    Ich nahm das Sistrum und trat hinaus, um den Priester Kallikrates zu suchen, an den ich durch die Bande der Leidenschaft gefesselt war, die mächtiger sind, als alle Göttinnen des Universums.«
    Hier konnte ich, Allan, mich nicht länger zurückhalten und fragte: »Weshalb?«, und dann, da ich ihren Zorn fürchtete, wünschte ich, daß ich geschwiegen hätte.
    Doch sie war nicht wütend, vielleicht, weil die Erinnerung an ihr Leid, ob es nun echt oder nur erfunden sein mochte, sie bescheiden gemacht hatte, denn sie antwortete sehr ruhig: »Bei Aphrodite, oder

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