Sie und Allan
angeblichen Reize jedoch zweifellos übertreibt.
Nun hatte der Pharao jener Tage eine Tochter, eine Prinzessin von Ägypten – eine recht hübsche Frau, auf ihre Art, wenn auch etwas dunkelhäutig – die zum Tempel kam, um dort einen Mond lang in Kommunikation mit der Göttin zu verbringen, oder genauer gesagt: mit mir, die ich ihr Zepter hielt, da sie nicht die geheimen Brücken kannte, über die allein es ein paar Wenigen möglich ist, die Kluft zu überwinden, die zwischen uns und jener Unsterblichen liegt. Diese Amenartas sah den Priester Kallikrates und verfiel ihm, wie es oft geschieht, wenn dunkelhäutige Frauen einem Mann eines helleren Typus begegnen; also umgarnte sie seine törichten Sinne mit solchen bekannten Künsten, wie sie selbst den einfachsten unseres Geschlechts von Geburt an geläufig sind.
Als ich von diesem Sakrileg erfuhr, schickte ich nach diesem Priester und warnte ihn vor den Gefahren und vor der Verdammung, die ihn erwartete, sollte er auf diesem Wege weiterschreiten. Er bekam es mit der Angst zu tun. Er warf sich vor mir auf den Boden, stöhnend und flehend und meine Füße küssend, schwor mir, daß sein Umgang mit der königlichen Amenartes lediglich ein Schleier sei, und daß ich es sei, die er anbete. Seine unheiligen Worte erfüllten mich mit Grauen; ich gebot ihm streng, zu gehen und für sein Verbrechen Buße zu tun, und versprach ihm meine Fürbitte bei der Göttin. Er ging und ließ mich mit meinen düsteren Gedanken in dem dunkel werdenden Schrein allein zurück. Dann kam der Schlaf über mich, und im Schlaf träumte ich einen Traum, oder sah eine Vision. Denn plötzlich stand eine Frau vor mir, so schön wie ich selbst, mit nichts anderem bekleidet als einem goldenen Gürtel und einem durchsichtigen Schleier.
›O Ayesha‹, sagte sie mit süßer Stimme, ›Priesterin der Isis der Ägypter, verschworen dem unfruchtbaren Kult der Isis und ernährt von der Asche ihrer unprofitablen Weisheit, wisse, daß ich die Aphrodite der Griechen bin, die du in ihrem Schrein von Paphos verhöhnt und verleugnet hast, und Königin der atmenden Welt, so wie Isis die Königin der Welt der Toten ist. Weil du mich verachtet und Schmach auf meinen Namen geladen hast, schlage ich dich mit all meiner Macht und lege einen Fluch auf dich. Ich verhänge über dich, daß du diesen Mann lieben und begehren sollst, der bisher nur deine Füße geküßt hat, und dich bis zum Ende der Welt danach sehnen sollst, zum Dank dafür seine Lippen zu küssen, obwohl du soweit über ihm stehst wie der Mond, dem du dienst, über dem Nil. Glaube nicht, daß du meinem Fluch entrinnen kannst, denn wisse, ganz gleich, wie stark der Geist sein mag, hier auf Erden ist das Fleisch stärker, und von allem Fleisch bin ich die Königin.‹
Dann lachte sie leise, schlug mir mit einer Locke ihres duftenden Haares über die Augen und war verschwunden.
Allan, ich erwachte aus meinem Schlaf, und wurde von einem starken Leid ergriffen, denn ich, die nie zuvor geliebt hatte, fühlte mich von lodernder Leidenschaft gepackt, und das für einen Mann, der bis dahin für mich nicht mehr bedeutet hatte, als irgendein hübsches Bildnis aus Gold und Elfenbein. Ich begehrte ihn, mein Herz wurde von Eifersucht zerrissen, auf diese Ägypterin, die ihn liebte, und eine verzehrende Flamme loderte in meiner Brust. Ich wurde wahnsinnig. Dort, in dem Schrein der göttlichen Isis, warf ich mich auf die Knie und flehte Aphrodite an, mir ihn zu geben, den ich begehrte, und um dessen willen ich bereit war, alles andere aufzugeben, obwohl ich meine Weisheit in sein leeres Gefäß der Schönheit gießen mußte. Ja, so betete ich, auf dem Boden liegend, und weinte, bis ich, erschöpft, wieder in Schlaf fiel.
Nun kam mir in der Dunkelheit dieses heiligen Ortes wieder ein Traum, oder eine Vision, denn vor mir stand in all ihrer Erhabenheit die Göttin Isis, gekrönt mit der Sichel des jungen Mondes, in ihrer Hand das juwelenbesetzte Sistrum, das ihr Symbol ist, und von dem eine Musik wie das Tönen ferner Glocken erklang. Sie blickte mich an, und in ihren großen Augen stand ein Ausdruck von Verachtung und Wut.
›O Ayesha‹, sagte sie mit ihrer leisen und feierlichen Stimme, ›Ayesha, die ich, Isis, mehr als Schwester denn als Dienerin betrachtet habe, da ich bei keiner anderen meiner Priesterinnen soviel Weisheit finden konnte, und die ich eines Tages auf die Stufen meines himmlischen Thrones zu erheben gedachte, du hast deinen Eid gebrochen und
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