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Sie und Allan

Sie und Allan

Titel: Sie und Allan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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ungewöhnlichen und interessanten Ereignisse, die Ihr mir geschildert habt, zu, als die Pharaonen regierten. Nun aber hat seit fast zweitausend Jahren kein Pharao mehr auf dem Thron Ägyptens gesessen, denn der letzte von ihnen war eine Frau, die von den Römern besiegt und in den Tod getrieben wurde. Und dennoch, Ayesha, sprecht Ihr, als ob Ihr diesen Abgrund von Zeit durchlebt hättet, oder so habe ich es zumindest verstanden, und darin muß ein Irrtum liegen, weil das unmöglich ist. Deshalb glaube ich, daß Ihr meint, die Geschichte dieser Begebenheiten ist schriftlich auf Euch überkommen, oder vielleicht in Träumen. Ich glaube, daß selbst in solchen entlegenen Zeiten Schreiber von romantischen Geschichten gelebt haben, und wir alle wissen, aus welchem Stoff Träume gemacht sind. Auf jeden Fall kommt mir dieser Gedanke«, fügte ich rasch hinzu, da ich fürchtete, zu viel gesagt zu haben, »und jemand, der so weise ist, wie Ihr es seid, möchte ich wiederholen, weiß sehr wohl, daß eine Frau, die behauptet, zweitausend Jahre gelebt zu haben, wahnsinnig sein muß – oder an Wahnvorstellungen leidet, da das, ich wiederhole es, unmöglich ist.«
    Auf diese doch recht unschuldige Bemerkung hin sprang sie auf, in einer Wut, die wahrhaftig auf jede Weise königlich genannt werden konnte.
    »Unmöglich! Romantik! Träume! Wahnsinn!« schrie sie mit hallender Stimme. »Oh! Ihr langweilt mich! Und offen gestanden habe ich nicht übel Lust, Euch dorthin zu schicken, wo Ihr lernen könnt, was unmöglich ist und was nicht. Ja, ich würde es sofort tun, doch benötige ich noch Eure Dienste, und außerdem hätte ich dann niemanden mehr, mit dem ich reden könnte, da Euer Gefährte den Verstand verloren hat, und die beiden anderen nur Wilde sind, von denen ich genug gesehen habe. Hört, Narr! Nichts ist unmöglich! Warum versucht Ihr, der von Unmöglichkeit spricht, die große Welt mit Euren beiden Händen zu umfassen und die Geheimnisse des Universums auf der Waagschale Eures kleinen Geistes zu wägen und, ohne sie zu begreifen, mir zu sagen, daß dem nicht so sei? Die Existenz von Leben gebt Ihr zu, da Ihr es überall um Euch seht, doch daß es zweitausend Jahre währen kann, was genau genommen lediglich eine Sekunde der Erdgeschichte ist, das ist für Euch ›unmöglich‹, obwohl in Wahrheit selbst der vergrabene Same oder eine im Schlamm versteckte Kröte genauso lange leben kann, und Ihr sicherlich einen Glauben habt, der Euch dieses nach der geringfügigen Veränderung, die Tod genannt wird, für alle Ewigkeit verspricht. Nein, Allan, es ist genauso möglich, wie viele andere Dinge, von denen man heute nicht einmal zu träumen wagt, und die in den Augen derer, die Euch folgen werden, selbstverständlich sind. Zweifellos haltet Ihr es für unmöglich, daß ich mit jenem schwarzen Zauber, der in dem Land wohnt, aus dem Ihr gekommen seid, gesprochen und so von Eurer Ankunft erfahren habe. Und doch tue ich das, wann immer ich es will, während der Nacht, weil er im Gleichklang mit mir steht, und was ich jetzt tue, wird in den noch ungeborenen Jahren von allen Menschen getan werden können. Ja, sie werden über die Weiten der Erde hinweg miteinander sprechen, und der Geliebte wird die Stimme seiner Geliebten hören, obwohl große Meere zwischen ihnen wogen. Und vielleicht wird es nicht einmal dort haltmachen; vielleicht werden die Menschen in der Zukunft auch mit den Bewohnern der Sterne kommunizieren, und selbst mit den Toten, die in das Schweigen und die Dunkelheit hinübergegangen sind. Hört und versteht Ihr mich?«
    »Ja, ja«, antwortete ich leise.
    »Ihr lügt, wie Ihr es immer tut. Ihr hört mich zwar, doch Ihr versteht mich nicht und glaubt mir nicht, und ... – oh! – ihr verärgert mich zutiefst. Ich hatte vor, Euch das Geheimnis meines langen Lebens zu enthüllen, meines langen, doch nicht ewigen Lebens, wohlgemerkt – denn zweifellos muß auch ich eines Tages sterben, mich verändern und wiederkehren, wie alle anderen –, und Euch sogar erklären, wie man das erreichen kann. Doch Ihr seid das in Eurer Ungläubigkeit nicht wert!«
    »Nein, nein, ich bin das nicht wert«, versicherte ich, da ich in jenem Moment nicht die geringste Neigung verspürte, zweitausend Jahre zu leben, vielleicht mit dieser Frau als Nachbarin, die mir von Generation zu Generation weiter voraus sein würde. Doch muß ich gestehen, daß ich jetzt, da ich alt geworden bin und der Tod nicht mehr lange auf sich warten lassen wird, oft

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