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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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dunkelhaarige Mann machte eine Geste, die seine Besucher dazu aufforderte, ihm in einen anderen Raum zu folgen. Als die Frau voranging, verschwanden auch die anderen aus Doyles Blickfeld.
    Sie handelt nicht aus Trauer, schloß er. Kummer zerbricht innerlich. Es ist Furcht, was diese Frau antreibt. Und wenn Cheshire Street 13 eine Falle war, hatte sie sich bereitwillig dort hineinbegeben.
    Doyle gab seinen Beobachtungsposten auf und ging über die Straße auf den Kutscher zu, der schüchtern an seinem Wagen lehnte und sich eine Pfeife anzündete.
    »Verzeihung, mein Freund«, sagte Doyle und setzte ein leutseliges, leicht angetrunkenes Lächeln auf. »Hier kann doch nicht das Haus sein, wo der Spiritistenquatsch stattfindet, oder? Mir hat man Cheshire 13 gesagt.«
    »Keine Ahnung, Sir.« Glatt, nichtssagend. Aller Wahrscheinlichkeit nach die Wahrheit.
    »Aber waren das nicht eben Lady ... Lady Soundso und ihr Bruder ... Aber sicher, Sie sind doch ihr Kutscher, oder? Sie heißen doch Sid, nicht wahr?«
    »Tim, Sir.«
    »Ach ja - Tim. Sie haben doch meine Frau und mich zum Bahnhof gefahren, als wir damals das Wochenende draußen auf dem Land verbracht haben.«
    Der Mann schaute Doyle unbehaglich an; schien sich verpflichtet zu fühlen, auf sein Gegenüber einzugehen. »In Topping, nicht?«
    »Ja, draußen in Topping, als alle da waren wegen der ...«
    »Wegen der Oper.«
    »Stimmt, wegen der Oper ... Im letzten Sommer, oder? Nun mal frei heraus, Tim, erinnern Sie sich überhaupt noch an mich?«
    »Im Sommer lädt Lady Nicholson ständig Leute ein«, versuchte Tim sich zu entschuldigen. »Und besonders ihre Opern-Freunde.«
    »Um ehrlich zu sein, ich erinnere mich heute auch nicht mehr an alles. War ihr Bruder eigentlich damals auch anwesend, oder war er in Oxford?«
    »Cambridge. Nein, ich glaube, er war dabei, Sir.«
    »Na klar, jetzt fällt's mir wieder ein ... Ich war nämlich erst einmal draußen in Topping.« Das reicht, dachte Doyle. Man sollte es nicht zu weit treiben. »Gehen Sie auch gern in die Oper, Tim?«
    »Ich, Sir? Das ist nicht mein Bier. Ich geh lieber zum Pferderennen.«
    »Guter Mann.« Ein Blick auf die Uhr. »O je, fast acht; ich gehe lieber hinein. Bis dann. Und erkälten Sie sich nicht.«
    »Vielen Dank, Sir«, sagte Tim, dankbar für die Empfehlung oder vielleicht auch nur für Doyles Abmarsch.
    Doyle ging die Treppe hinauf. Lady Caroline Nicholson der Name sprang ihn förmlich an. Der Vater ihres Gatten war bei der Regierung. Erbadel. Und Topping, das Landhaus ihrer Ahnen, lag irgendwo in Sussex.
    Wie anklopfen? Das Zeichen: dreimal, Pause, dann noch einmal. Wenn jemand öffnete, konnte er den Rest aus dem Stegreif erledigen. Er hob seinen Spazierstock, doch bevor er die Tür traf, schwang sie auf. Er konnte sich nicht erinnern, das Klicken des Schnappschlosses gehört zu haben. Wahrscheinlich war sie nicht richtig geschlossen gewesen: die Neigung des Türrahmens, ein Windstoß.
    Er trat ein. Der Hausflur war dunkel und kahl. Unter seinen Füßen: nackte Dielen, auf denen nie ein Läufer gelegen hatte. Links und rechts geschlossene Türen, wie auch geradeaus. Eine Treppe, die sich wie ein schlechtes Gebiß nach oben schraubte. Bei jedem vorsichtigen Schritt protestierten die Dielen unter seinen Füßen. Nachdem er drei Schritte gemacht hatte, schwang die Haustür hinter ihm zu. Diesmal vernahm er auch das leise Klicken des Schlosses. Doyle war sich sicher, vor dem Schließen der Tür einen Windzug gespürt zu haben, und zwar einen solchen, der ausgereicht hatte, um das Schloß einschnappen zu lassen.
    Nur, daß die einsame Kerze in der ovalen Schale auf dem Tisch, deren fahle Flamme nun allein zwischen ihm und der absoluten Finsternis stand, weder gezuckt hatte noch ausgegangen war. Doyle schob eine Hand über das Licht; es tanzte angenehm, dann bemerkte er, daß neben dem Kerzenleuchter eine Glasschale auf dem Tisch stand. Die flackernde Lohe umgarnte sie mit tiefschwarzen Schlaglichtern.
    Die Öffnung der Schale war so breit wie seine beiden Hände.
    Das Glas war dick, verrußt und mit einem üppigen Muster verziert. Diese Filigranarbeit, dachte Doyle, als er die zwei konisch zulaufenden Hörner in der Luft nachzeichnete, die von einem aufgerichteten Tierschädel in die Höhe ragten, beschreibt einen Schauplatz. Sein Blick fiel auf eine dunkle, nasse, verkohlte Masse im Inneren der Schale; sie war flockig, geschwärzt und strömte einen unangenehm reifen, scharfen Geruch aus. Er kämpfte die

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