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Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Titel: Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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würde, wenn sie das Portal durchschritten – und dabei so nah wie möglich an seiner Seite bleiben.
    Goten gab ihr einen Kuss auf die Stirn, als er sie zur Tür brachte. Es war das erste Mal, dass er sie küsste.
    Und das letzte.

Die Wurzel aller Welten
    Der letzte Tag des letzten Mondes im letzten Jahr.
    In der großen Festungshalle herrschte gespanntes Schweigen. Die sechs Hexen standen in einem Halbkreis rund um einen verblichenen Wandteppich. Jede trug auf der Schulter ihren Hexenkater – nur einer fehlte, jener, den Dea versehentlich versteinert hatte.
    Vor dem Teppich, inmitten des Hexenkreises, stand Abakus, das Gesicht zur Wand gerichtet, beide Handflächen auf den Stoff des Teppichs gepresst. Winzige Funken stoben zwischen seinen Fingern empor. Schweißtropfen standen auf seiner Stirn, seine Augen waren geschlossen.
    Dea nahm als Letzte ihren Platz im Halbkreis ein. Im selben Moment, als sie zwischen die Hexen trat, spürte sie den Fluss der Magie, die zwischen ihnen waberte. Schlagartig wurde sie von einer unbändigen Kraft erfüllt. Sie fühlte sich mit einem Mal ausgeruht und frisch, überschäumend von magischer Macht.
    Aber sie spürte auch noch etwas anderes. Da war etwas in ihrem Geist, etwas Scharfes, Schneidendes, Fremdes. Etwas griff von außen in das Geflecht ihrer Magie und zog einen Faden daraus hervor wie mit einer Sticknadel.
    Jemand zapfte ihre Macht an. Abakus! Er lenkte die Kraft seiner Hexen auf sich selbst um, verstärkte damit seine eigenen Fähigkeiten. Offenbar gelang es ihm nur auf diese Weise, das Portal zu öffnen.
    Goten stand außerhalb des Kreises und betrachtete das Treiben der Hexen und ihres Meisters mit finsteren Blicken. Er hatte sein Schwert gegürtet. Dea hätte gerne länger zu ihm hinübergeschaut, vielleicht seinen Blick gekreuzt, doch das ging jetzt nicht mehr. Die Beschwörung des Tors nahm sie vollkommen in Anspruch.
    Plötzlich erblühten Farben im Gewebe des Teppichs. Das Muster, das ihn einst geschmückt hatte, war über die Jahrzehnte völlig verblichen; jetzt schien die Farbe zurückzukehren, wurde heller und greller, floss in Strukturen, formte ein Bild.
    Das Bild einer nächtlichen Waldlandschaft.
    Doch dieses Bild bestand nicht aus Wolle oder Leinen. Es war die Wirklichkeit, die sich aus der grauen Eintönigkeit des gebleichten Stoffes schälte. Die Wirklichkeit einer Welt, die aussah wie diese hier und die doch durch unüberbrückbare Grenzen davon getrennt war.
    Abakus trat als Erster durch das Tor. Dann folgten, eine nach der anderen, die Hexen. Dea war jetzt eine von ihnen, und sie betrat die andere Welt als Vierte.
    Goten schritt als Letzter durch den Teppich. Noch im Gehen zog er sein Schwert blank, bereit für eine Attacke aus dem Schatten der Bäume.
    Der Waldboden war weich und mit braunen Nadeln bedeckt. Die Luft roch würzig nach Tannengrün und Harz. Sogar ein Uhu schrie in der Ferne.
    Diese Welt unterschied sich durch nichts von jener daheim, abgesehen davon, dass es hier wärmer war und kein Schnee lag. Offenbar herrschte hier eine andere Jahreszeit.
    Das Tor blieb hinter der Gruppe als leichtes Wabern sichtbar, ein Flirren und Flimmern der Nachtluft. Dea hatte erwartet, dahinter das Bild der Festungshalle zu sehen, doch da war nichts dergleichen. Lediglich die nächstgelegene Baumreihe war zu erkennen, leicht verzerrt und vage.
    »Dort entlang«, flüsterte Abakus und deutete vorwärts.
    Dea, Goten und die Hexen folgten ihm. Der weiche Boden dämpfte ihre Schritte.
    Nach einer Weile drang vor ihnen der ferne Schein eines Feuers durch das Gewirr der Äste und Stämme. Der Boden war uneben, immer wieder mussten sie in Senken hinabsteigen und auf der anderen Seite mühsam wieder aufwärts klettern. In Anbetracht der Tatsache, dass dies der erste Teil eines Plans war, eine ganze Welt zu unterjochen, erschien Dea ihr Vorgehen ziemlich erbärmlich. Die Hexen des Arkanums gegen die Meister des neuen Jahrtausends – wie pompös das geklungen hatte, als Morgwen davon gesprochen hatte. Stattdessen mussten sie sich nun mit einer Kletterpartie über lockeren Waldboden, Geröll und steinharte Baumwurzeln abfinden.
    Trotzdem machte Dea nicht den Fehler, die Macht des Arkanums zu unterschätzen. Sie wusste, zu was die Hexen und Abakus fähig waren – denn ob sie wollte oder nicht, sie war nun selbst eine von ihnen.
    Noch immer war ihr schleierhaft, wie Abakus’ Plan vereitelt werden sollte. Sie hatte allmählich das Gefühl, dass ihr Hiersein ein

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