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Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Titel: Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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können.
    Hier, in dieser Wurzel, versammelten sich die sieben Geschichtenerzähler, entfachten ein Lagerfeuer und zogen Pfeifen aus ihren Bündeln. Die Kleidung aller war staubig, ihr Schuhwerk zerschlissen. Sie hatten lange Wege zurückgelegt, um hierher zu kommen. Einer rollte ein Fass kühles Bier heran, ein anderer pralle Lederschläuche mit herbem, duftendem Wein. Der Tabak in ihren Pfeifen stammte aus fernen Ländern, einer roch würziger und exotischer als der andere.
    In keinem Wirtshaus des Mittelalters, an keinem Königshof und an keinem Lagerfeuer gab es in dieser Nacht größere Behaglichkeit als hier, an diesem geheimen Ort im geheimsten aller Wälder.
    Denn mochten der große Baum und seine Riesenwurzel auch inmitten einer Lichtung stehen, so erstreckte sich doch rundherum das Dickicht eines tiefen, dunklen Waldlands. Wilde Tiere schrien und balgten in der Finsternis, Käuzchen riefen und Uhus gurrten. Aber keines der Tiere wagte sich an die Wurzel heran, und keines hätte versucht, einen der sieben anzugreifen.
    Hier also versammelten sie sich. Sieben Wesen, die sich selbst ganz schlicht die Erzähler nannten, und die doch so viel mehr waren – die Meister des neuen Jahrtausends.
    Und während die ersten Wolken von Tabakrauch in den Abendhimmel schwebten, während frisch gebackenes Bauernbrot und herzhafter Käse die Runde machten, begannen sie ihre Berichte, einer nach dem anderen.
    Sie erzählten und erzählten, und keinem Menschen hätte je langweilig werden können bei dem, was sie zu berichten hatten.
    Geschichten von Rittern und hübschen Burgfräuleins, von bettelarmen Leibeigenen und reichen, fetten Händlern. Von widderköpfigen Göttern und ihren blumengekrönten Priesterinnen. Von Ketzern und Kirchenmännern, von Marktweibern und Musikanten, von Seidenspinnerinnen und Sarazenenfürsten. Von Schlachten, Festen und verstohlenem Liebestreiben. Von großen und von kleinen Leuten, von Männern, Frauen und von Kindern.
    Und einer von ihnen, einer der Meister des neuen Jahrtausends, erzählte auch von einem Mädchen im fernen Giebelstein.
    Er erzählte von Dea.

Weltuntergang
    Dea erkannte schon von weitem, dass irgendetwas nicht stimmte. Etwas war anders als sonst, und das Geschrei, das ihr aus der Ferne entgegenschallte, verriet deutlich, dass es nichts Angenehmes war.
    In ihrer Hand hielt Dea den hölzernen Eimer, mit dem ihre Mutter sie zum Wasserholen geschickt hatte. Er baumelte an einem festen Strick aus Hanf; die Fasern schnitten in Deas Hand, als sie die Finger zur Faust ballte. Sie spürte ein seltsames Rumoren im Bauch, während sie sich langsam dem Brunnen näherte.
    Giebelsteins Dorfbrunnen stand auf dem Platz vor der Kirche. Er war von einer runden, hüfthohen Mauer umgeben. Normalerweise saßen dort die Frauen, erholten sich von der schweren Arbeit und hielten den einen oder anderen Schwatz.
    Jetzt aber saß niemand auf der Brunnenmauer. Alle Leute, die sonst um diese Stunde des Vormittags bei der Arbeit auf den Höfen, in der Schmiede oder der Weberei waren, hatten sich zwischen Brunnen und Kirche versammelt. Ihre Rücken versperrten Dea die Sicht.
    Sie stellte den Eimer neben dem Brunnen ab – dort standen schon einige andere, alle leer – und eilte auf die Menschenmenge zu. Alle beobachteten angestrengt das Treiben vor der Kirche. Dea war zwölf Jahre alt und ein wenig zu dünn; das kam ihr nun zugute, als sie sich zwischen den Männern und Frauen hindurchzwängte. Die groben Stoffe, die die meisten von ihnen am Körper trugen, rochen muffig.
    Etwa sechzig Menschen standen auf dem Platz, das war immerhin fast ein Drittel aller Einwohner Giebelsteins. Zwischen ihnen und der kleinen Holzkirche, in der sie täglich ihre Gebete sprachen, lag eine Fläche von zwanzig Schritten Breite. Normalerweise war dieser Platz leer, nur am Markttag schlugen hier ein paar Bauern und fahrende Händler ihre Stände auf.
    Heute aber herrschte reger Betrieb. Fünf Pferdewagen hatten rechts und links des Kirchtors angehalten. Die Tiere schnaubten unruhig. Männer, Frauen und Kinder kletterten von den Wagen, luden Kisten und Säcke ab und trugen sie schnurstracks ins Innere der Kirche.
    Ein einzelner Mann, sehr groß und sehr fett, überwachte das Treiben. Seine Kleidung war aus feinster Seide und Damast. Goldenes Geschmeide lag um seinen feisten Hals, an seinen Wurstfingern glänzten zahllose Ringe und Edelsteine. Fettiger Glanz schimmerte auf seiner Stirn.
    Dea erkannte den Mann. Sein Name war

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