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Sieben Siegel 03 - Die Katakomben des Damiano

Sieben Siegel 03 - Die Katakomben des Damiano

Titel: Sieben Siegel 03 - Die Katakomben des Damiano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Unterlippe.
    Sandfontänen wuchsen wie Säulen von der Decke herab. Überall knirschte und ächzte das alte Gestein.
    Nils sprang die Treppe herauf, das Horn fest mit beiden Händen umkrallt. Jetzt blies er nicht mehr hinein. Es war zu spät für solche Ablenkungsmanöver.
    Seine Freunde jubelten, als er zu ihnen stieß, und zu viert rannten sie los, durch den überwucherten Innenhof zum Tortunnel.
    Hinter ihnen ertönte ohrenbetäubendes Donnern und Bersten. Als sie noch einmal stehen blieben, sahen sie, wie das Dach der Kapelle ineinander stürzte und die morschen Wände mitriss. Ein riesiger Pilz aus Staub und Schmutz schoss zum Himmel hinauf, und Steinsplitter sausten den Freunden um die Ohren.
    Innerhalb von Sekunden erinnerte nur noch ein haushoher Steinhaufen an die Kapelle des Klosters San Cosimo. Eine graue Wolke verdunkelte den Innenhof. Kyra und die anderen schnappten hustend nach Luft, dann liefen sie durch den Tunnel ins Freie.
    Der Weg durch den Park schien sich vor ihnen zu dehnen und zu winden. Endlich erreichten sie das Tor. Professor Rabenson drückte außen auf den Knopf der Fernbedienung. Sofort schob sich das Stahlungetüm zur Seite.
    Jubelnd sprangen sie hinaus, vor sich die Weite und Schönheit der toskanischen Landschaft, und Kyra ließ zu, dass ihr Vater sie glücklich umarmte.
    Dann aber blickte der Professor mit einem Mal auf.
    »Wo ist Chris?«, fragte er alarmiert.
    Alle schauten sich ratlos um.
    Chris war fort.
     

Die Ahnung kam ihm völlig unvermittelt, als er und die anderen aus dem Tortunnel stürzten. Als sie bald darauf an der Vespa vorbeiliefen, die immer noch am Rande des Dickichts stand, fasste er einen Entschluss.
    Chris ließ sich zurückfallen, wartete, bis seine Freunde ein Stück weit entfernt waren, dann sprang er in den Sattel des Rollers und startete den Motor.
    Mit Vollgas raste er über den Grasstreifen am Fuß der Klostermauern, bis er den schmalen Seiteneingang fand, den er schon einmal benutzt hatte.
    Nur wenige Sekunden später brachte er die Vespa im Treppenhaus zum Stillstand.
    Der Gargoyle saß da und blickte ihn aus großen, unschuldigen Augen an. Seine Zeigefinger steckten immer noch tief in seinen Ohren.
    Die Klänge des Horns waren nicht bis zu ihm vorgedrungen.
    Chris stieg ab und trat auf das Wesen zu. Er hatte jetzt keine Angst mehr.
    Ganz sachte legte er seine Hände auf die des Gargoyles. Vorsichtig gab er ihm zu verstehen, dass er die Finger jetzt herunternehmen sollte.
    Der Gargoyle gehorchte und grinste wieder. Er schien in Chris eine Art Spielgefährten zu sehen. Einen Freund.
    Chris konnte nicht anders – er umarmte das Wesen. Er murmelte ein paar Worte zum Abschied, dann trat er zurück. Mit ausgestrecktem Arm zeigte er auf den Weg, den er gekommen war.
    »Das ist die Richtung, in die du gehen musst. Bis zu einem Tor. Dahinter liegt die Welt. Auch deine.«
    Er wusste nicht, ob der Gargoyle die Worte verstehen konnte. Wahrscheinlich nicht. Aber er würde den zutraulichen Tonfall erkennen.
    Chris ließ die Vespa stehen und ging zu Fuß davon. Noch einmal schaute er zurück und sah, dass der Gargoyle schnüffelnd seinen Spuren folgte.
    Chris lief schneller, um vor dem Wesen am Tor zu sein.
    Draußen bestürmten ihn die Freunde mit Fragen, aber er verriet ihnen nichts von seinem Geheimnis.
    Stattdessen ließ er sich von Kyra die Fernbedienung geben und schleuderte das Gerät mit weitem Schwung über den Zaun ins Parkdickicht. Das Tor stand immer noch offen.
    »Warum hast du das getan?«, fragte Kyra überrascht.
    »Es ist falsch, diesen Ort zu verstecken«, sagte er überzeugt. »Er gehört allen, nicht nur ein paar Forschern.« Mit Blick auf Kyras Vater fügte er lächelnd hinzu: »Tut mir Leid, Professor.«
    Dann zog er die anderen mit sich. Zähneknirschend, zugleich aber endlos erleichtert folgten sie ihm auf den langen Fußmarsch nach Saturnia. Dort würden sie ein Auto mieten und entscheiden, was sie als Nächstes tun wollten.
    Nur ein einziges Mal schaute Chris über die Schulter nach hinten.
    Jenseits des Tors bewegte sich etwas. Ein gackerndes Lachen ertönte. Dankbar, vielleicht.
    Dann bogen die Freunde um die nächste Hügelkehre.
    Das Wesen aber, das hinter ihnen zum ersten Mal das Glück der Freiheit kostete, sah keiner jemals wieder.
     

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