Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann
Wichtiges.«
Ihre Freunde wechselten unsichere Blicke.
»Was meinst du?«, fragte Lisa.
Kyra atmete tief durch. Dann sagte sie nur ein einziges Wort:
»Tommy.«
Zurück in die Höhle des Löwen
Stille lag über der Villa.
Finsternis umhüllte das Haus wie schwarze Watte. Nur durch das Küchenfenster fiel der fahle Schein der Herdbeleuchtung.
»Der Kleine schreit nicht«, stellte Lisa tonlos fest. »Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?«
Keiner wusste darauf eine Antwort. Sie standen am Fuß der Auffahrt und blickten zum Haus hinauf. Kyra erschien es, als hätten sich die Kronen der Bäume zu beiden Seiten der Villa noch tiefer herabgebeugt, bereit, jeden Augenblick mit knirschenden Astfingern zuzupacken.
»Ist doch sinnlos, wenn wir hier noch länger rumstehen«, meinte Chris ungeduldig. »Wir gehen rein, holen den Schreihals raus und verschwinden wieder.«
»Klar, Rambo«, entgegnete Nils giftig. »Leider hast du deine Knarre vergessen.«
Sie hatten erst überlegt, sich aufzuteilen – zwei würden zu Kyras Haus gehen und nach Büchern über den Mann im Mond suchen, die beiden anderen sollten Tommy aus Ruths Villa holen und ihn bei den Nachbarn abliefern. Dann aber hatten sie sich doch entschlossen, zusammenzubleiben. Wenn sie überhaupt eine Chance gegen das dämonische Mondwesen hatten, dann nur, weil sie in der Überzahl waren. Wenigstens hofften sie das.
»Okay«, meinte Kyra schließlich und straffte sich. »Dann mal los!«
Sie rannten die Auffahrt hoch zum Eingang. Kyra hielt den Hausschlüssel in der Hand. Sie sprangen die Stufen hinauf, horchten erneut. Völlige Stille umgab sie, nur die Bäume säuselten leise im Wind.
Während Kyra die Tür und das Sicherheitsschloss öffnete, bildeten ihre drei Freunde um sie einen Halbkreis und beobachteten wachsam die Umgebung. Augenblicke später standen sie im dunklen Flur. Der hintere Teil des Gangs war immer noch mit dichtem Dornendickicht ausgefüllt. Keiner war allzu erpicht darauf, näher als nötig an die Zweige heranzugehen.
Kyra wollte die Tür hinter ihnen schließen, als Chris sie zurückhielt. »Einer sollte hier bleiben und Wache halten«, flüsterte er.
Kyra nickte. »Wer will?«
»Von mir aus«, seufzte Lisa. »Ich bleib hier.«
Zu ihrem Erstaunen sagte Chris: »Ich auch. Ist doch Quatsch, wenn wir den Kleinen zu dritt aus dem Bett holen.«
Kyra und Nils rannten los, die Treppe hinauf, und verschwanden aus dem Blickfeld ihrer beiden Freunde. Lisa lehnte sich gegen die Wand neben der Haustür, die immer noch einen Spalt weit offen stand. Nervös strich sie sich das Haar aus der Stirn und schaute Chris an.
»Glaubst du, er ist hier im Haus?«, fragte sie im Flüsterton.
»Der Mann im Mond?« Er schüttelte den Kopf. »Scheint nicht so. Ich hoffe nur, der kleine Krachmacher liegt noch in seinem Bett.«
Sekunden des Schweigens vergingen, während Lisa Chris immer wieder unauffällig musterte. Er wirkte älter, als er in Wirklichkeit war, und sah, nicht nur in Lisas Augen, ziemlich gut aus. Aber es war nicht allein sein Äußeres, das ihr an ihm gefiel. Wenn er bei ihr war, fühlte Lisa sich immer ein wenig sicherer als ohne ihn, gerade in Situationen wie dieser. Dabei hatte sie mittlerweile gelernt, selbst ganz gut auf sich Acht zu geben. Trotzdem – mit Chris an ihrer Seite war es etwas anderes. Vielleicht lag es auch nur daran, dass seine Anwesenheit sie von allem anderen ablenkte.
Von ihren Ängsten. Ihren Sorgen.
Von der Haustür und dem Vorgarten.
» Pass auf! « Chris’ Aufschrei riss sie abrupt aus ihren Gedanken.
Sie wirbelte erschrocken herum und ließ sich zur Seite fallen, als etwas von außen gegen die Tür krachte und den Flügel nach innen stieß. Lisa schrie auf und sah aus dem Augenwinkel, wie etwas Glänzendes, Silbernes über sie hinwegschoss, im Flur einen Haken schlug und erneut auf sie zuraste.
Ohne zu überlegen, sprang sie ins Freie und schlug von außen die Haustür zu.
Der Fliegende Fisch prallte gegen die Innenseite. Sogar durch das Holz konnte sie das wütende Schnappen seiner Kiefer hören.
Chris!, dachte sie panisch. Er war jetzt allein mit dem Fisch im Flur.
Während Lisa verzweifelt seinen Namen rief, gab sich Chris im Inneren noch lange nicht geschlagen. Er sah, wie der Fisch gegen die Tür knallte, seine schrecklichen Haifischzähne fletschte und herumwirbelte. Verschlagen funkelten seine Augen Chris entgegen.
Ein einziger Schlag mit den Flughäuten, dann schoss der Fisch auf ihn
Weitere Kostenlose Bücher