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Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann

Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann

Titel: Sieben Siegel 04 - Der Dornenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Nacht wahrscheinlich nicht mehr zum Vorschein kommen. Es blieben ihnen nur wenige Minuten.
    Die drei anderen gesellten sich zu ihr. Alle fühlten sich schrecklich schutzlos. Sie mussten schon von weitem zu sehen sein, erst recht, da jeden Augenblick wieder das Mondlicht auf das helle Gestein der Kuppel fallen würde. Sie standen inmitten des berühmten Präsentiertellers.
    Wie Schießbudenfiguren, dachte Lisa zitternd. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, dass sie fror. Ihr Minirock war kaum die geeignete Kleidung für nächtliche Expeditionen wie diese.
    Der Wolkenfetzen wanderte weiter, Mondlicht ergoss sich über die Hügel.
    Kyra schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. »Könnt ihr es spüren?«, fragte sie leise.
    Jetzt spinnt sie völlig!, durchfuhr es Lisa.
    Aber Kyra schlug schon nach zwei, drei Sekunden die Augen wieder auf und schaute Lisa direkt an. »Dieses leichte Ziehen … fühlt ihr das nicht?«
    »Kyra, bitte! « , sagte Chris. Seine Stimme klang scharf, nur eine Spur weit von einer Drohung entfernt. »Was, zum Teufel, machen wir hier?«
    Bevor Kyra eine Antwort geben konnte, rief plötzlich Nils:
    »Da kommt er!«
    Und tatsächlich, der Mann im Mond erklomm den Bahndamm, blieb stehen und blickte stumm zu ihnen herüber, eine schwarze Silhouette ohne Gesicht, umwirbelt von einem Fächer aus peitschenden Dornenranken. Lisa glaubte, die furchtbaren Stacheln sogar auf diese Entfernung erkennen zu können.
    Das Wesen setzte sich wieder in Bewegung, brach unbeeindruckt durch die Brombeerbüsche und hinterließ eine Schneise aus verzahntem Dornengewirr, ähnlich wie im Garten der Villa. In spätestens fünf Minuten würde er hier sein.
    »Wir müssen ihn hierher locken«, brach Kyra mit einem Mal ihr Schweigen. »Mit etwas Glück können wir ihn auf diese Weise loswerden.«
    Die drei anderen sahen sich verwirrt an.
    »Kyra, bist du sicher, dass –«, begann Chris, aber sie fiel ihm ins Wort: »Nein, ich bin nicht sicher«, entgegnete sie schnippisch. »Aber es ist immerhin eine Chance.«
    »Und warum gerade hierher?«, fragte Nils. Normalerweise hätte er Kyra für verrückt erklärt. Aber er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie so etwas nicht ohne Grund behaupten würde.
    »Was hat die Hexe dir gesagt?«, bohrte auch Lisa.
    Kyra schaute zum Mond empor, dann hinüber zu ihrem Gegner, der unaufhaltsam näher kam.
    »Sie hat gesagt, es gibt eine Verbindung zwischen dem Mond und einem Ort in der Nähe von Giebelstein. Die Mondmagie funktioniert wie ein Fahrstuhl, der den Mann im Mond herunterholt, aber auch wieder dort hinaufbringen kann.«
    »Ja, und?«, fragte Nils ungeduldig.
    »Lass sie doch ausreden!«, fuhr Lisa ihren Bruder an.
    »Um die Verbindung herzustellen, braucht man einen Sender und einen Empfänger, hat die Hexe gesagt. Genau das waren ihre Worte: Sender und Empfänger. Zwei Pole, zwischen denen eine Art … ich weiß nicht, so was wie ein Kraftfeld entsteht.« Wieder spähte sie angestrengt den Hügel hinunter. Zum ersten Mal sah sie aus, als bekäme sie es allmählich mit der Angst zu tun. Ihr Plan näherte sich der entscheidenden Phase. »Der Mond ist der Sender, das steht fest. Bleibt also die Frage, was der Empfänger ist. Und mir fiel nur ein Ort in der Umgebung ein, der etwas mit Mondmagie zu tun hat.«
    Lisas Blick wanderte langsam zum Dach des Hügelgrabes hinunter, auf dem sie standen. »Du glaubst –«
    »Die Kelten haben all ihre Bauwerke nach den Himmelskörpern ausgerichtet«, erklärte Kyra hastig. »Ihre Steinkreise und Opferplätze liegen alle auf irgendwelchen Linien, die zu bestimmten Sternbildern weisen … oder zum Mond.«
    Kyra hatte Recht. Sie alle hatten das schon in der Schule besprochen, gerade weil es in der Gegend rund um Giebelstein so viele keltische Kultstätten gab. Das Hügelgrab war nur der größte und spektakulärste dieser Orte, aber es gab noch weitere: moosüberwucherte Findlinge, die sich in Flussniederungen in den Wäldern befanden; Fürstengräber, die schon im neunzehnten Jahrhundert von Forschern geöffnet oder geplündert worden waren; sogar die Überreste eines Steinkreises, der irgendwo in den Wäldern im Norden stehen sollte.
    Schon vor zweitausend oder noch mehr Jahren hatten keltische Stämme in diesem Gebiet ihre Mond- und Sonnengötter angebetet, hatten primitive Kalender nach den Sternbildern ausgerichtet und ihre Toten in geweihter Erde bestattet.
    Lisa konnte nicht umhin, Kyra zu bewundern. Der Rückschluss von der

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