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Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten

Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten

Titel: Sieben Siegel 09 - Tor zwischen den Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Museum zu hören gewesen war, klang hier weit entfernt und irgendwie unwirklich.
    Aber das war noch nicht alles.
    Vor Kyra öffnete sich der Blick auf ein steiniges Felsufer. Das Meer dahinter wirkte so real, dass sie einen Augenblick lang den Eindruck hatte, ein Film würde auf die Rückwand der Nische projiziert. Aber nein – die Wellen bewegten sich nicht, waren starr, wie eingefroren. Es musste ein Bild sein, ähnlich wie die hässlichen Fototapeten, die sich manche Leute an die Wände klebten. Trotzdem besaß die Uferlandschaft eine unheimliche Tiefe. Sie erschien so realistisch, dass Kyra beinahe meinte, die salzige Seeluft auf den Lippen zu schmecken.
    Am Ufer lag ein sterbender Ritter, in dessen Brustharnisch ein gezahntes Loch klaffte; Blut verschmierte die Ränder. Er hatte einen grauen, kurz geschnittenen Bart und trug einen Helm in Form einer Krone. König Artus, dachte Kyra.
    Aber hatten sich nicht gerade seine Augen bewegt? Nein, das musste eine Täuschung gewesen sein.
    Auf dem Wasser befand sich eine hölzerne Barke, ein Boot ohne Segel oder Ruder, das wie von selbst über die Wellen glitt. Und, ja, das tat es tatsächlich – es glitt dem Ufer entgegen!
    Nein, dachte Kyra benommen, das ist völlig unmöglich!
    Und doch – die Barke bewegte sich auf die Felsen mit dem sterbenden König zu. An Bord befanden sich neun Gestalten, neun Frauen in langen Gewändern. Drei von ihnen standen vorn am Bug. Sie trugen schmale Kronen aus Gold und Edelsteinen, und ihre Gewänder waren mit Silberfäden durchwirkt. Die anderen sechs blieben im Hintergrund, die Gesichter in Trauer gesenkt, sodass man ihre Züge nicht erkennen konnte.
    Die drei Königinnen am Bug aber hielten ihre Häupter hoch erhoben, sie waren von der erhabenen Schönheit perfekter Porzellanfiguren. Zwei trugen weiße, wallende Gewänder; eines schien gar aus glitzernden Fischschuppen zu bestehen.
    Die Frau in der Mitte war in schwarzen, eng anliegenden Stoff gekleidet, auf dem winzige Lichtpunkte funkelten wie Sterne am Firmament. Ihr Haar war rabenschwarz, ebenso ihre Lippen und Fingernägel. Kyra fand, dass sie Ähnlichkeit mit einer Hexe des Arkanums hatte – mit dem Unterschied, dass ihre Schönheit nicht so künstlich und aufgesetzt wirkte wie die der Hexen. Es war, als hätte eine wolkenlose Sommernacht für einen Tag menschliche Gestalt angenommen. Ja, dachte Kyra, wenn etwas Derartiges möglich wäre, dann hätte die Nacht den Körper dieser Frau geformt. Dazu passte auch der kühle Lufthauch, der aus ihren Augen herüberzuwehen schien. Natürlich wusste Kyra, dass man Wind nicht sehen konnte; trotzdem schien es ihr, als strahle diese Frau in ihrer Vollkommenheit eine Kälte aus, die über die Wellen ans Ufer drang, hinaus in die Gänge des Hexenmuseums.
    Gebannt beobachtete Kyra, wie die Barke die Felsen erreichte. Die drei Königinnen streckten langsam ihre Arme aus und deuteten auf den blutenden König am Ufer.

In dieser Haltung verharrten sie. Langsam, fast unmerklich, hob sich der leblose Körper in seiner schweren Rüstung vom Boden ab und schwebte zur Barke hinüber, als besäße er kein Gewicht. Dann sank er sanft hinter den drei Frauen auf die Planken und verschwand aus Kyras Blickfeld. Die beiden Frauen in Weiß wandten sich zu ihm um und kehrten Kyra den Rücken zu. Die schwarze Königin aber blickte einen Moment länger in ihre Richtung. Die Finsternis in ihren Augen ließ Kyra schaudern. Dann wandte auch sie sich um, und die Barke entfernte sich wieder. Weit vor ihr, über dem diffusen Horizont, riss der Dunst auf und eröffnete den Blick auf eine ferne Insel, deren einziger Hügel in einem hellen Katzenaugengrün erstrahlte.
    Kyra bemerkte, dass die drei Frauen lange Schatten warfen, obwohl keine Sonne zu sehen war. Die Schatten streckten sich bis ans Ufer, lösten sich dann von ihren Besitzerinnen und schnellten wie gespannte Gummibänder auf die Felsen zu. Dort schienen sie wie schwarzes Öl in Ritzen und Öffnungen zu versickern, bis sie nicht mehr zu sehen waren.
    Kyra blickte wie betäubt der schwindenden Barke hinterher, als sich hinter ihr eine Stimme zu Wort meldete.
    »Der Tod des König Artus«, sagte jemand. »Die drei Königinnen aus dem Feenreich und ihre Zofen geleiten seinen Körper und seine Seele zur magischen Insel Avalon, in die Anderswelt, wo er noch heute ruht und auf seine Auferstehung wartet.«
    Kyra wirbelte herum und sah noch aus dem Augenwinkel, wie das Felsenufer hinter ihr verblasste und zu

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