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Siebzehn Silben Ewigkeit - Roman

Siebzehn Silben Ewigkeit - Roman

Titel: Siebzehn Silben Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sondern dass es sich bei seinem Gegenüber tatsächlich um ihn selbst handelte, wobei er sich allerdings in kaum vorstellbarem Maße verändert hatte.
    Er versuchte verzweifelt, eine Erklärung dafür zu finden, und kam zu dem Schluss, dass das, was er im Spiegel sah, das Ergebnis einer monatelangen Vernachlässigung seiner Körperpflege war. Im Rausch seines poetischen Abenteuers hatte er sich selbst völlig vergessen, nicht einmal einen Blick in den Spiegel geworfen, bis es so weit gekommen war: zu diesem visuellen Schock, diesem dekadenten Selbstporträt. Ließ sich aber eine solche Ähnlichkeit mit Grandpré als bloßer Zufall erklären? Rührte sie nicht vielmehr von dem unbewussten Wunsch her, sich mit seinem Vorgänger zu identifizieren? War Bilodo in einem solchen Maße daran gelegen gewesen, in Grandprés Haut zu schlüpfen, dass er ihm schließlich zum Verwechseln ähnlich geworden war? Jedenfalls schien die Verwandlung verblüffend: mit dem monatealten Bart, der struppigen Mähne, die ebenso lange keinen Kamm mehr gesehen hatte, und in dem Kimono glich er auf frappierende Weise dem Verstorbenen. Kein Wunder, dass Tania bei seinem Anblick so überrascht gewesen war: Einen Moment lang hatte sie gewiss angenommen, ihr sei der Geist von Grandpré erschienen.
    Bilodo beschloss, sogleich den dichten Bart auf seinen Wangen in Angriff zu nehmen, drehte den Warmwasserhahnauf und holte sein Rasiermesser hervor. Dann hielt er jedoch inne. Ihm war eine Idee gekommen: Wenn Tania, die den Verstorbenen doch schließlich gut gekannt hatte, darauf hereingefallen war und Bilodo selbst einen Augenblick lang daran geglaubt hatte, warum sollte es dann jemandem, der Grandpré lediglich von einem Foto her kannte, anders ergehen?
    Verklärt legte Bilodo sein Rasiermesser beiseite. Schien der Herbst auf einmal nicht doch möglich?
    Sollte er diese einmalige Chance, Ségolène bei sich zu empfangen, nicht nutzen? Sehnte er sich nicht danach, ihr nicht nur verbal, sondern auch körperlich nahe zu sein? Wollte er sie nicht, und sei es in Gestalt eines anderen, über den Traum hinaus lieben, sie wirklich so lieben, wie sie es verdiente, wie sie beide es verdienten, und endlich wirklich zu leben beginnen?
    Konnte er eine so wunderbare Gelegenheit, dem Schicksal eine andere Richtung zu geben, einfach verstreichen lassen? Durfte er das?
    Warum zögerte er noch? Was hielt ihn davon ab, sie zu sich einzuladen, um miteinander den glorreichen kanadischen Herbst zu erleben, von dem sie träumte?
     

    Fliegen Sie zum Herbst
    er erwartet Sie
    mit all seiner Farbenpracht
     
    In seiner Euphorie sah sich Bilodo bereits am Flughafen auf die Guadelouperin warten, die scheu in der Ankunftshalle erschien, und stellte sich vor, wie sie mit wehendem Haar durch einen prächtigen postkartenähnlichen Herbst fuhren. Schon schmeckte er ihren ersten Kuss, spürte die Wärme ihrer ersten Umarmung, verlor sich in der Morgendämmerung in Ségolènes aufgelöstem Haar. Aber damit diese herrlichen Visionen wahr wurden, musste er zunächst das Haiku abschicken.
    Bilodo hatte soeben eine Briefmarke auf den Umschlag geklebt, als der Himmel draußen zu grollen begann. Ein Gewitter. Nachdem es den ganzen Vormittag heraufgezogen war, brach es endlich los; die ersten dicken Tropfen trommelten gegen das Wohnzimmerfenster. Weil er verhindern wollte, dass sein Gedicht wegen des schlechten Wetters nicht abgeschickt werden konnte, griff Bilodo nach einem Regenschirm und eilte vor die Tür. Als er gerade noch auf dem Balkon war, leuchtete auf der Straße ein Blitzlicht auf, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Krachen, und plötzlich nahm der Regenschauer monsunische Ausmaße an. Durch den Wasservorhang sah er ganz verschwommen auf der anderen Straßenseite ein Postauto stehen. Wurde der Briefkasten schon geleert? Offenbar, denn Robert stand da und beeilte sich im prasselnden Regen, den Inhalt in einen Sack zu füllen. Bilodo zögerte. Die Anwesenheit des Postbeamten störte ihn. Er hatte seit den Vorfällen im Frühjahr kein Wort mehr mit Robert gewechselt und verspürte nicht die geringsteLust, sich seine sarkastischen Bemerkungen anzuhören. Außerdem war Robert nicht allein; neben ihm stand ein Postbote, wahrscheinlich derjenige, der Bilodos Runde im Viertel übernommen hatte, ein Typ, den er nicht kannte, noch nie gesehen hatte, dem er jedoch seit einiger Zeit misstraute, weil er ihn im Verdacht hatte, manche Briefe von Ségolène geöffnet zu haben.
    Inzwischen goss es

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