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Sieg des Herzens

Sieg des Herzens

Titel: Sieg des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ergänzte dann mit deutlichem Hohn: »… Werk.«
    Und damit streckte er die Hand aus nach dem Bogen, der auf dem Tisch lag. Der Unterarm des Dichters, den dieser rasch auf den Bogen preßte, kam ihm jedoch zuvor.
    »Nein, Herr Sekretarius, ich bin noch nicht fertig. Morgen, ja, morgen bringe ich Ihnen das Ganze. Seine Durchlaucht werden zufrieden sein.«
    »Jetzt will ich das Zeug sehen!«
    »Herr Sekretarius …«
    »Hört Ihr nicht?«
    »Ich sage Euch doch, daß …«
    »Euch zu kontrollieren ist meine Pflicht. Wenn Ihr Euch deshalb jetzt nicht sofort willfährig zeigt, werdet Ihr es zutiefst bereuen.«
    »Ich bitte Euch …«
    »Weg da!«
    Der Sekretär gab dem Dichter einen Stoß, und so gelang es ihm, den umstrittenen Bogen an einer Ecke zu erhaschen. Nun zerrten ihn beide hin und her, und es bestand dadurch höchste Gefahr der Zerstörung für das kostbare Blatt.
    »Verdammter Hungerleider, läßt du los!« zischte der Hofschranze. »Läßt du los, oder du hältst heute nacht noch Einzug in die Folterkammer!«
    Diese fürchterliche Drohung verfehlte ihre Wirkung nicht. Der Dichter wich zurück, hielt aber an seiner Seite das Blatt noch fest.
    »Das bestimmt der Fürst!« antwortete er.
    »Der ist heute noch verreist, du Wurm! Zu bestimmen habe deshalb ich, und ich lasse dir das Fleisch von den Knochen peitschen, das schwöre ich dir.«
    Des Dichters letzter Widerstand wurde gebrochen, als der Hofschranze hinzufügte: »Und dein elendes Weib werde ich dazu bestimmen, dem Schauspiel zuzusehen. Die guten Tage, die sie sich beim Kartoffelschälen in der Küche macht, sind mir ohnehin längst ein Dorn im Auge.«
    »Satan!« keuchte der Dichter, doch das Blatt, an dem ihm nicht ohne Grund so viel lag, gab er frei.
    Die Augen des Hofschranzen schossen Blitze.
    »Das hast du nicht umsonst gesagt!« verkündete er, und erst dann begann er zu lesen, nachdem er sich einige Schritte vom Tisch des Dichters zurückgezogen hatte.
    Etwas Furchtbares braute sich zusammen.
    Dem Sekretarius schienen bei der Lektüre die Augen aus den Höhlen zu quellen. Mehrmals knurrte er wie eine der gefährlichen Doggen des Fürsten. Dann wurde es wieder still im Raum, und der nächste Laut, der ertönte, stammte von einem mächtigen Faustschlag des Hofschranzen auf die Tischplatte.
    Was er hatte lesen müssen, war zuviel der Frechheit, des Hohnes. Es war eine Lästerung Gottes und des nach seinem Ebenbild geschaffenen Menschen. Es war Ketzerei, verdiente die Tortur, war ein Verleugnen, Vergessen, Beschimpfen, Besudeln der Menschheit insgesamt. Hier stand es, mit schwarzer Tinte auf Pergament gemalt, auf Pergament, welches – o dieser Hohn! – das fürstliche Wappen trug. Hier stand es und klagte an:
    Ewig umrankt
wie von Efeu
und verdeckend das Antlitz
doch am gleichen Giebel
blühend wie Rosen
und tragend die süße
und saure Frucht
edelsten Weines,
doch ewig umspien
von eklem Gewürm
wie das Haupt der Medusen
ist dein Leben
vom Schicksal.
Hart wie die Felsen,
unergründlich wie die Weite
des Weltenalls
und schwer voll glühender Tränen
gleich einem rauschenden Meer
ist die Seele des Menschen,
der heimkehrt
zu Gott.
Als Kind im Schmerze geboren,
als Kind im Seufzer gelebt,
als Kind röchelnd gestorben,
nur ein Kind als Wanderer
in die Ewigkeit –
das ist der Mensch!
    Die Wut kochte in dem Hofschranzen. Er fühlte sich ganz persönlich mißachtet, beleidigt, angegriffen. Außerdem dachte er an den zu erwartenden Zornesausbruch des Fürsten mit den sich daraus für ihn, den Sekretarius, ergebenden Resultaten. Wild blickte er um sich, suchte nach irgendeinem Gegenstand, den er in die Hand zu kriegen trachtete, damit er die Bestrafung des Missetäters sofort einleiten und ihr den nötigen Nachdruck verleihen konnte. Ein zweiter Faustschlag krachte auf den Tisch; das Tintenfläschchen sprang hoch, überschlug sich und verspritzte seinen Inhalt weithin, wobei vor allem der kostbare Teppich in Mitleidenschaft gezogen wurde. Das herrliche Stück war dadurch ein für allemal verdorben, weil es in der damaligen Zeit noch nicht die wirksamen chemischen Reinigungsmittel späterer Jahrhunderte gab.
    »Infames Subjekt!«
    Die Kerzen schienen zu erschrecken, so brüllte der Sekretär. Ihr Flackern erreichte eine Stärke, die befürchten ließ, daß sie ganz erloschen.
    »Verbrecher!«
    Eine Kerze ging tatsächlich aus, getroffen vom Geifer des Brüllenden.
    »Lump!«
    Der Dichter zuckte jedesmal zusammen. Es war, als ob ihn ein Peitschenhieb getroffen

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