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Sieh dich um: Thriller (German Edition)

Sieh dich um: Thriller (German Edition)

Titel: Sieh dich um: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Osborne
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die über die beste Möglichkeit nachsannen, das Leben eines Patienten zu retten. Leider gab es für sie niemanden mehr zu retten. Die Patientin war längst tot.
    Dana nickte in Richtung von Stephanie Manns geschundener Leiche, die splitternackt mit weit ausgebreiteten Armen und Beinen mitten im Wohnzimmer lag. Dünne Seile fesselten sie an dicke, in den Wohnzimmerboden eingelassene Stahlringe und hatten die Handgelenke und Knöchel des Opfers schwarz verfärbt. »Was hältst du davon?«, fragte Dana ihren Partner. Bis zum Eintreffen der Pathologin waren Brown und sie auf sich allein gestellt, was Vermutungen über den Tathergang und die Todesursache betraf.
    Brown richtete den Blick auf den verwesenden Leichnam. Er sah größtenteils zerschmettert und purpurn dunkelviolett aus. Das Gesicht war nicht mehr erkennbar. Der überwältigende Gestank von verrottendem Fleisch, der ihnen beim Betreten der Wohnung entgegengeschlagen hatte, schien mit jeder Sekunde schlimmer zu werden.
    »Sieht so aus, als hätte jemand sie mit einem stumpfen Gegenstand bearbeitet«, meinte Brown und stieß langsam den Atem aus. Die Maske über seinem Mund und seiner Nase wölbte sich wie ein Ballon. »Mit einem Hammer vielleicht. Das Schachbuch auf dem Tisch soll uns wohl sagen, dass diese Partie hier zu Ende ist. Die Einstiche an den Armen des Opfers deuten darauf hin, dass sich die Frau Drogen gespritzt hat. Keine Ahnung, was die Patrone bedeutet. Aber wenn unser Mann bei seinem Schema bleibt, fängt er in den nächsten Tagen eine neue Partie an. Was schätzt du, wann war der Zeitpunkt des Todes? Wann ist diese Sauerei passiert?«
    So unangenehm die Frage für Dana war, da die Pathologin noch auf sich warten ließ, zwang sie sich, den nackten Leichnam noch einmal genauer in Augenschein zu nehmen, dem Drang zu würgen zu widerstehen und auf die forensischen Details zu achten. Leicht fiel es ihr nicht.
    Im Mund, in der Nase, in den Augenhöhlen, in den Ohren … in sämtlichen natürlichen Körperöffnungen der Toten wuselten winzige, glitschige Maden. Der Leichnam war aufgebläht und erinnerte Dana an die schockierenden Fotos von verhungernden äthiopischen Kindern, die sie in den 1980er-Jahren im National Geographic Magazine gesehen hatte. Das schien Ewigkeiten her zu sein. Mehrere Leben.
    Nicht zum ersten Mal wünschte Dana, sie hätte einen anderen Beruf ergriffen. Bibliothekarin vielleicht. Das erschien ihr sicherer. Jedenfalls war sie in der Vergangenheit in Bibliotheken nie auf Berge von verrottenden Leichen gestoßen. Aber sie war nicht Bibliothekarin geworden. Stattdessen hatte sie sich sehr bewusst dafür entschieden, zum FBI zu gehen. Sie hatte von Anfang an gewusst, worauf sie sich einließ. Und sie hatte sich alle Mühe gegeben, um so weit zu kommen. Vor vierzehn Jahren hatte sie mit Händen und Füßen darum gekämpft, Special Agent zu werden, die Akademie als Beste ihres Jahrgangs abzuschließen und ihren Lebensunterhalt mit der Jagd auf Serienmörder zu verdienen.
    Trotz allem liebte Dana ihren Beruf. Jede Minute davon. Schließlich gab es eine Menge kranker Arschlöcher, die nicht einen Augenblick zögerten, Unschuldigen das Leben zu nehmen. Daraus ergab sich zwangsläufig, dass es auch Menschen wie Dana geben musste, die bereit waren, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um diese gefühllosen Monster zur Strecke zu bringen.
    Dana hoffte, dass sie ihr Leben nicht lassen müsste.
    Sie schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben, und konzentrierte sich auf die vor ihr liegende Aufgabe. Ihre Arbeit war ohnehin ihre Stärke, was der Psychiater des FBI ihr mehrfach bestätigt hatte. Im Gegensatz zu Bibliothekaren hatte Dana im Verlauf ihrer Karriere bereits Unmengen von verrottendem Fleisch gesehen. Ganze Lkw-Ladungen. Genug für die nächsten tausend Jahre. So viel, dass sie den hartnäckigen Gestank nie ganz aus der Nase bekam, der nicht aus ihren Haaren und von ihrer Haut weichen wollte, ganz gleich, wie viel Seife sie benutzte und wie oft sie am Ende jedes erschöpfenden Arbeitstags kochend heiß duschte.
    Es gab fünf allgemeine Stadien der Verwesung bei Leichen: frisch, aufgedunsen, aktive Verwesung, fortgeschrittene Verwesung und trockene Überreste. Nach den Maden und dem grausig geschwollenen Leib der Toten zu urteilen, hatte Stephanie Mann das aufgedunsene Stadium erreicht. So, wie es aussah, würde die aktive Verwesung nicht mehr lange auf sich warten lassen. »Sie ist seit schätzungsweise drei Tagen tot«,

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