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Sieh mich an, Al Sony

Sieh mich an, Al Sony

Titel: Sieh mich an, Al Sony Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
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gehalten hätte, oder ob es die Notizen und Baupläne für eine Cruise-Missile oder für einen Zanussi-Wäschetrockner gewesen wären. Einen davon zu berühren hätte ihn sowieso zerstört; deshalb waren sie in Plastik eingeschlossen, abgeschirmt und sicher vor fatalen Staub- und Schmutzkörnchen, die ihre geheimen Funktionen verstopfen würden, wie Blutpfropfen ein lebendiges, organisches Gehirn lahmlegen können.
    »Drams?« sagte ich.
    »Dynamic Random Access Memory. Speicherchips. Soviel du willst. Ich hab’ sie.«
    »Wie groß?«
    »Wieviel Speicherplatz kriegst du heute maximal auf einen Chip?«
    »Das sind Ein-Megabit-Chips?«
    »Jawohl. Das Neueste vom Neuen.«
    »Bist du sicher? Die könnten auch 256K haben oder 64K. Das kann alles mögliche sein. Was hast du denn — Röntgenbescheinigungen? Weniger Speicher, weniger Geld.«
    »Zertifikate. Garantiert fabrikneu.«
    Charlie lehnte sich zurück und grinste selbstgefällig. Ich tippte auf die Waffle pack.
    »Okay. Wie viele sind hier drin?«
    »Zwotausend.«
    »Zwotausend. Okay. Und wie viele hast du?«
    »Zehn.«
    »Du kennst den Tagespreis?«
    »Wie du gesagt hast — heute kosten sie fünfzig Dollar, Tendenz steigend.«
    Ich machte eine kurze Pause und trieb ein wenig Kopfrechnen.
    »Eine Million Dollar also.«
    »Schlechtestenfalls.«
    »Bei einem Pokerspiel in Las Vegas?«
    Charlie tippte sich an den Rand eines imaginären Stetsons und kniff die Augen zusammen wie einer, der zu lange in der heißen Sonne gesessen und Klapperschlangen auf Graubrot gegessen hatte.
    »Scheiße, ja. Ist ’ne schwere Art, sich ein leichtes Leben zu machen , was?«
    Was er nicht sagte. Ich hielt soeben hunderttausend Dollar in der Hand, in Form einer runden Scheibe, so groß wie ein Taschenspiegel. Ich zählte die Schachteln im Aktenkoffer und dachte daran, wie ich die Automaten in Vegas so lächerlich bemuttert und mit unzähligen Münzen gefüttert hatte, ohne daß sie mir auch nur ein kleines Bäuerchen gegönnt hätten. Ich hatte meine Zeit damit verschwendet, von einem System zum anderen zu wandern und gegen schlechte Chancen zu wetten, aber Charlie, der Pokerspieler, war nur günstige Wetten eingegangen und hatte ein Vermögen in Siliziumchips gewonnen, dem Treibsand der Computerindustrie. Sein Gewinn würde nicht immer so viel wert sein. Der Preis stand im Zenit, denn wir befanden uns auf dem Höhepunkt eines typischen Vierjahreszyklus, dem die Drams offenbar folgten. Die Nachfrage nach solchen Speicherchips boomte, das Angebot ging zurück, der technologische Fortschritt versprach ein neues Produkt, das es aber im Augenblick noch nicht gab, und die Krönung des Ganzen bestand in einem wackligen Handelsabkommen zwischen den USA und Japan, wobei letzteres zusammen mit Korea zufällig den Weltmarkt für solche Chips beherrscht, die fundamentalen Komponenten jedes Computers auf der Welt, ob Taschenrechner oder Cruise-Missile. Die Folge war eine Knappheit, die erwachsene Komponenteneinkäufer zum Weinen brachte. Speicherchips waren nicht meine Spezialität, aber jeder in der Computerbranche wußte, daß die Hersteller verrückt nach den Dingern waren. Man hatte bereits Großmütter gefesselt und verkauft. Diese Leute hatten plötzlich mit japanischen Importquoten zu kämpfen, während sie zugleich mehr Chips denn je brauchten, um ihre Waren zu produzieren: Computer, Taschenrechner, Nähmaschinen, Industrieroboter, Funktelefone, sprechende Babypuppen und Raketen — Produkte, die anscheinend die ganze Welt dringendst haben wollte. In den letzten sechs Monaten waren Drams so schwer zu bekommen gewesen wie Schneebälle in einem Whirlpool. Der Preis für Ein-Megabit-Drams war von sieben auf fünfzig Dollar gestiegen, und für die vorige Chipgeneration, die weniger leistungsfähigen 256K-Chips, bezahlte man statt drei Dollar fünfundsiebzig jetzt zwischen fünf und sieben Dollar. Die Lage war so schlimm geworden, daß manche PC-Hersteller ihre Produkte inzwischen mit Prozessoren, aber ohne Speicher auslieferten. Man konnte sagen, die Maschinen hatten Hirn genug, um zu rechnen, aber keinen Platz, um dabei die Formeln und Zahlen zu behalten. Die Computer wurden verpackt und mit einem Zettel versandt, auf dem stand: »Wenn Sie Speicherchips finden, kaufen Sie sie und schicken Sie uns die Rechnung.«
    Die Presse brachte die Story schon das ganze Jahr, und jeder, von Technology Week bis Business Week, hatte etwas dazu zu sagen gehabt. Daher kannte ich auch den Preis. Hoffentlich

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