Sieh mir beim Sterben zu (German Edition)
Polizist schüttelte den Kopf. «Sie mussten also unbedingt auf den Rasen Ihrer Exfrau pinkeln?»
Der Richter lächelte. «Genau genommen habe ich auf mein eigenes Grundstück gepinkelt, das ich ihr in meiner unerreichten Großzügigkeit überlassen habe. Und manchmal ist man eben gezwungen, spontan zu urinieren. Sie sind noch viel zu jung, um Prostatabeschwerden zu kennen, aber in meinem Alter hat man schon mal unter sporadischer Inkontinenz zu leiden.»
Sein Gegenüber verzog keine Miene, doch seine Augen funkelten verräterisch. «Ich habe selbst eine Exfrau.»
«Aha. Dann können Sie vielleicht nachvollziehen, weshalb ich meine Blase nicht immer ganz unter Kontrolle habe.»
Nach diesem nur knapp abgewendeten Konflikt mit dem Gesetz und einer weiteren guten Stunde, in der er eine beachtliche Menge an Bürokratie und den Zorn von Nummer vier über sich ergehen ließ, kehrte Richter Jim in seine Wohnung zurück. Er zog seinen besten schwarzen Anzug an, der bereits seit einer halben Ewigkeit in einer Plastikhülle der Reinigung in seinem Schrank hing, goss sich einen brandneuen Bourbon ein, den er in der Liebhaberabteilung der besten Wein- und Spirituosenhandlung von Cherry Hill erstanden hatte, und machte sich an sein Vorhaben, ein für alle Mal Ordnung zu schaffen.
Den Rest des Tages verbrachte er damit, ein paar hochinteressante Unterlagen zu sortieren, die er erst vor kurzem zusammengestellt hatte. Dann verstaute er sie sorgfältig in einer Fächermappe, die er in eine Umhängetasche schob. Er reinigte und ölte seine Winchester, die ebenfalls genau in die Tasche passte, und reservierte anschließend einen Tisch in seinem bevorzugten Fischrestaurant. Nun standen nur noch zwei Anrufe auf seiner Liste, von denen einer allerdings bis zur letzten Sekunde würde warten müssen.
Vor dem Abendessen blieb ihm nichts weiter zu tun, und er schenkte sein Glas wieder voll, zündete sich eine seiner besten Zigarren an, streifte durch seine Wohnung und dachte zurück an die Zeit, die er hier verbracht hatte. Eigentlich war es gar kein schlechter Ort gewesen, recht bequem sogar, wenn er ehrlich war, und der Blick auf den Mississippi suchte seinesgleichen. Und ohne die bedrückende Gegenwart der Corbusier-Liege, die so viel Platz im Raum und in seinem Kopf beansprucht hatte, sah auch das Wohnzimmer sehr viel besser aus, wirklich elegant. Womöglich war an diesem ganzen Feng-Shui-Unsinn ja doch etwas dran. Er hätte das verdammte Ding längst rausschmeißen sollen.
Die letzte Station seiner privaten Hausbesichtigung war der Fotoaltar für seinen Sohn – das Einzige an dieser Wohnung, was er wirklich vermissen würde. Andächtig nahm er sein Lieblingsbild in die Hand, das Jessie und ihn auf dem achtzehnten Grün des Woodland Hills Country Club zeigte. Der kleine Mistkerl hatte den Ball an jenem Tag tatsächlich mit einem einzigen Schlag eingelocht. Es war, als wäre sein ganzes Lebensglück in dieses letzte Golfturnier geflossen, dieses allerletzte achtzehnte Loch. Himmel, wie seltsam das Leben doch sein konnte!
Er fuhr mit den Fingern über das Glas des Bilderrahmens und entschloss sich dann in letzter Sekunde, das Bild zum Gewehr und zu der Mappe in die Tasche zu schieben.
Kapitel 40
Es war zwar keine irische Kneipe, doch Magozzi war auch so glücklich darüber, endlich wieder in unmittelbarer Nähe von Grace McBride zu sein, auch wenn sie anscheinend nicht ganz bei der Sache war. Natürlich nahm Magozzi das persönlich, aber die Aussicht auf gutes Essen und guten Wein – Harley hatte ein paar Flaschen aus seinem berühmt-berüchtigten Weinkeller mitgebracht – und die spärlich bekleideten Damen, die sich auf der Bühne und zwischen den Tischen von Restaurant und Bar tummelten, milderten die Abfuhr. Ein klein wenig zumindest.
Sie standen alle dicht aneinandergedrängt im Eingangsbereich, zusammen mit etwa viertausend weiteren engen Freunden, die ganz sicher allesamt vor ihnen einen Tisch bekommen würden, weil sie schon vor ihnen da gewesen waren. Magozzi näherte sich Roadrunner, der in der persönlichen Konfrontation mit Fremden fast schon schmerzlich scheu sein konnte, sich aber in Menschenmengen, wo er nicht weiter auffiel, immer pudelwohl fühlte. «Ich versteh das einfach nicht, Roadrunner. Unser Mister Feinschmecker geht in ein Restaurant, das keine Reservierungen macht? Was ist denn aus der Vorzugsbehandlung geworden? Wo sind die Lakaien, die vor uns niederknien und uns Kaviar und Foie Gras
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