Sieh mir beim Sterben zu (German Edition)
gegenüber zurechtsetzte.
Kapitel 7
Magozzi hielt nicht viel von Selbsterforschung, obwohl ihm der dienststelleneigene Seelenklempner das jedes Mal, wenn er jemanden erschossen hatte, wieder nachdrücklich ans Herz legte. Nun ja, die beiden Male, als Magozzi jemanden erschossen hatte. Damals hatte es ihn aber nicht weitergebracht: In beiden Fällen hatte ein Mörder auf ihn geschossen, und er hatte das Feuer erwidert, um sich zu verteidigen – was gab es da groß zu erforschen? Und auch jetzt würde es ihn nicht weiterbringen.
Als junger Mann hatte er der albernen Vorstellung nachgehangen, dass er Karriere machen, heiraten, Kinder und ein Haus haben würde und alles andere, was die Leute eben so unter einem normalen Leben verstanden. Das war der Plan gewesen. Von so etwas ging man eben aus, wenn man in einer katholischen italienischen Familie aufwuchs, deren Mitglieder zahlreicher waren als die Bevölkerung von Rhode Island, und dazu noch dumm genug war zu glauben, man würde ein Leben führen wie die eigenen Eltern. Kein Mensch hatte je auch nur angedeutet, dass es auch anders laufen konnte, dass Ehen manchmal scheiterten und man irgendwann mit einem Lesesessel, einem Zwölf-Zoll-Fernseher und all den anderen gottverdammten Überresten seines erträumten Lebens dasaß. Und vor allem hatte einen niemand darauf vorbereitet, dass man sich, nachdem die erste Ehe ausgewischt war wie ein falscher Buchstabe an der Tafel, in eine Frau verlieben könnte, die das Wort «Liebe» vermutlich nie über die Lippen bringen würde, weil ihr das Konzept einfach fremd war. Magozzis Zukunft hielt keine zweite Ehe mehr bereit und ganz sicher keine Kinder, kein gemeinsames Heim, kein normales Leben – es sei denn, er brachte es fertig, sich endlich davon zu überzeugen, dass er auch ohne Grace MacBride leben konnte. So weit war er allerdings noch nicht. Nicht mal ansatzweise, trotz Ginos ständiger guter Ratschläge. Vielleicht ging er inzwischen ein ganz klein wenig mehr auf Abstand, aber das lag womöglich auch nur daran, dass sie ihn auf Abstand hielt.
Sie öffnete auf sein Klopfen, und da war es wieder, das schmale, reservierte Lächeln, das wallende schwarze Haar und dieses Gesicht, bei dessen Anblick ihm regelmäßig der Atem stockte. Und als wäre das noch nicht genug, schleckte ihm auch noch Charlie mit feuchter Zunge die Hand, und Magozzi war so dumm zu glauben, das dies genau die Begrüßung war, auf die er sein Leben lang gewartet hatte.
«Hey, Magozzi.»
«Hey, Grace.»
Sie trat beiseite, schloss die Tür hinter ihm, schaltete die Alarmanlage wieder ein und ging ganz selbstverständlich davon aus, dass er ihr durch die Diele in die Küche folgen würde. Als er stattdessen stehen blieb, drehte sie sich um und sah ihn erstaunt an. «Was ist denn?»
«Ihr arbeitet für das FBI. Und ihr wart letztes Wochenende die große Attraktion bei einer wichtigen Tagung.»
Grace runzelte die Stirn. Da emotionale Gesichtsausdrücke nicht gerade zu ihrem Standardrepertoire gehörten, war Magozzi jeder einzelne kostbar. «Da ging es doch nur um die Arbeit, Magozzi.»
«Tommy hat uns ein bisschen erzählt, worum es genau ging. Nicht unbedingt die Installation von Sicherheitssoftware. Das ist eine große Sache. Und du hast mir nichts davon erzählt.»
Das Stirnrunzeln steigerte sich, bis fast schon eine Furche zwischen Graces Augenbrauen zu sehen war – aber eben nur fast. «Willst du etwa immer ganz genau wissen, was ich in jeder einzelnen Sekunde mache?»
O ja. Genau das wollte er. «Natürlich nicht. Aber es ärgert mich, wenn ich höre, dass das FBI eine neue Mordserie im Zusammenhang mit dem Internet unter Verschluss hält und uns von der Polizei keine Informationen darüber gibt. Wir sind immerhin die Leute vor Ort. Wenn sich das tatsächlich über das ganze Land erstreckt, muss uns doch irgendwer darauf hinweisen.»
«Bisher sind nur fünf Morde bestätigt.»
«Ach, prima. Da bin ich aber erleichtert. Die ziehen also Fachidioten von außen hinzu, weil ihre eigenen Fachidioten diese Posts nicht zurückverfolgen können? Und wir werden zu absolut gar nichts hinzugezogen. Jede mittelgroße Polizeidienststelle im ganzen Land beschäftigt inzwischen Internetexperten, und trotzdem kriegt Tommy eine Privateinladung, anstatt es über offizielle Kanäle zu erfahren. Gibt es da etwa so eine Art Maulkorberlass?»
Grace atmete hörbar aus. «Nicht dass ich wüsste. Im Moment wird vor allem versucht, etwas zu entwickeln, was man den
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