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Sieh mir beim Sterben zu (German Edition)

Sieh mir beim Sterben zu (German Edition)

Titel: Sieh mir beim Sterben zu (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Tracy
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«Sweet Cheeks» nannte, das war doch ein bisschen viel für ihn. Er rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum und versuchte verzweifelt, sich für ein Pronomen zu entscheiden, gab es dann aber auf. «Die Leiche wurde heute Morgen im Fluss gefunden. Wir glauben, dass es Mord war.» Das löste einen weiteren Tränenstrom aus, und Gino bedauerte, nicht gleich gesagt zu haben, was er in solchen Fällen sonst immer sagte und auch jedes Mal ernst meinte. «Mein aufrichtiges Beileid. Sie standen sich ja offenbar nahe.»
    Camilla nickte und trocknete sich mit einem Taschentuch die Augen. «Vielen Dank.» Sie putzte sich die Nase. «Ja, wir standen uns tatsächlich sehr nahe. Allerdings nicht so, wie Sie jetzt wahrscheinlich denken. Wir waren kein Paar. Nur sehr enge Freundinnen.»
    «Sie sagten gerade, dass er … äh …», Gino korrigierte sich zögernd, «… dass sie gestern Abend hier war. Können Sie sich erinnern, wann Sie sie zuletzt gesehen haben?»
    «Ich glaube, das war so gegen halb elf. Da war sie bereits sehr … mitgenommen.»
    «Mitgenommen?», wiederholte Gino.
    «Betrunken. Arme Sweet Cheeks. Vor einigen Jahren hat sie einen geliebten Menschen verloren, und darüber ist sie nie hinweggekommen. Sie war fast jeden Abend betrunken. Mein Gott, ich kann einfach nicht glauben, dass sie tot sein soll.»
    «Ich nehme mal an, Sweet Cheeks war nicht ihr richtiger Name.»
    Camilla schüttelte den Kopf. «Nein, das war natürlich nur ein Künstlername. Offiziell heißt … hieß sie Alan Sommers.»
    Gino kritzelte den Namen in sein Notizbuch. «Sommers mit o?»
    «Ja, genau.»
    Er zückte sein Handy. «Ich rufe die Zulassungsstelle an, wegen der Adresse.»
    «Das ist nicht nötig. Sie hat eine Zweizimmerwohnung gleich über dem Stop-&-Go-Supermarkt an der Colfax Street. Da hat sie tagsüber gearbeitet. Ich habe einen Schlüssel, wenn Ihnen das weiterhilft.»
    «Das hilft uns sehr», sagte Magozzi. «Wissen Sie zufällig, ob sie noch etwas vorhatte, als sie gestern Abend von hier aufgebrochen ist?»
    «Ich weiß nur, dass sie in meine Wohnung wollte, um vor der großen Drag-Show noch etwas auszunüchtern. Ich gebe ihr oft meinen Schlüssel, wenn sie zu viel getrunken hat. Manchmal fällt sie dann gleich bis zum nächsten Morgen ins Koma, aber oft schläft sie auch nur ein paar Stunden und kommt dann hierher zurück oder geht noch woandershin – das weiß man bei Sweet Cheeks nie so genau. Gestern bin ich selbst erst um halb vier nach Hause gekommen. Sie war nicht da, aber ich habe mir natürlich nichts weiter dabei gedacht. Wie gesagt, sie war in dieser Hinsicht ziemlich unberechenbar.»
    «Gab es denn Hinweise darauf, dass sie gestern Nacht überhaupt bis zu Ihrer Wohnung gekommen ist?»
    Camilla legte die Stirn in Falten und tippte sich mit einem kirschrot lackierten Fingernagel an die kirschroten Lippen. «Eigentlich nicht, wenn ich so darüber nachdenke. Das Bett, in dem sie immer schläft, wirkte unbenutzt, und es stand auch kein Geschirr in der Spüle … Es kann natürlich sein, dass sie das Bett gemacht und abgewaschen hat, was aber nicht allzu typisch für sie wäre.»
    Vor Magozzis innerem Auge nahm ein trauriges Bild von Alan Sommers Gestalt an, einem offenbar unglücklichen Menschen, der ein höchst riskantes Leben führte und des Nachts sturzbetrunken am Flussufer entlangtorkelte. Wenn Grace nicht den Film im Internet entdeckt hätte, wäre man in so einem Fall normalerweise niemals auf Mord gekommen. Das perfekte Opfer. Vielleicht sogar das perfekte Verbrechen. Ein Schauder lief ihm über den Rücken. «Wissen Sie, ob sie jemanden bei sich hatte, als sie ging?»
    «Nein. Aber wir haben an allen Türen Überwachungskameras. Wenn Ihnen das hilft, können Sie sich die Bänder ansehen.»

Kapitel 9
    Camilla hatte nicht einmal eine halbe Stunde gebraucht, um auf dem Überwachungsband die Stellen zu finden, die Alan Sommers im kompletten Brautgewand zeigten, als er in der Mordnacht das Tiara betrat und es wieder verließ – beide Male allein. Womit auch alle Hoffnungen, den Fall rasch mit einem todsicheren Verdächtigen abzuschließen, beim Teufel waren.
    «Warum kriegen wir eigentlich nie mal einen Fall ab, bei dem der Täter blöd genug ist, sich in flagranti von einer Überwachungskamera ablichten zu lassen, möglichst noch in Arbeitskleidung mit gut erkennbarem Namensschild?», lamentierte Gino, als Magozzi den Cadillac von der blinkenden Neonkrone des Tiara weg und nach Norden in Richtung von Alan

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