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Sieh mir beim Sterben zu (German Edition)

Sieh mir beim Sterben zu (German Edition)

Titel: Sieh mir beim Sterben zu (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Tracy
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Funkdurchsagen vorkam wie bei der Mathematikprüfung. Am Ende einer langen Schicht konnte er sich meist nicht mal mehr an die Nummer seines eigenen Wagens erinnern, und er würde nie im Leben darauf kommen, zu welcher Sorte Einsatz sie ihn gleich schicken würde, weil sie es einfach nicht fertigbrachte, ganz normales Englisch mit ihm zu reden. Es konnte so oder so nichts Gutes sein. Nicht so spät am Abend. Ein Autounfall, ein angetrunkener Fahrer, besoffene Teenager, die irgendwo laute Partys feierten und damit die Farmer wahnsinnig machten, die mit den Hühnern ins Bett gingen.
    «Frank, bist du da?»
    Das sicherte ihr seine ganze Aufmerksamkeit. Keine Spur des üblichen Traras, und in ihrer Stimme schwang leise Panik mit.
    «Mein Gott, Mary, du verstößt gegen die Vorschriften. Wurde die Tom Thumb gerade von Terroristen angegriffen, oder was ist los? Los, gib mir ein paar Zahlen, sonst weiß ich ja gar nicht, ob du’s wirklich bist.»
    «Halt die Klappe, Frank, und hör mir zu.»
    Wow. Jetzt zitterte ihr doch tatsächlich die Stimme.
    «Ich habe hier ein paar Leute aus Minneapolis, die über Lautsprecher auf mich einreden, darunter ein FBI-Agent. Und für das, was sie sagen, ist eh keine Nummer vorgesehen.»
    Frank knipste das Innenlicht an und hielt am Straßenrand. «Gut, Mary, jetzt beruhig dich mal wieder. Ich höre.» Er hörte sie am anderen Ende tief Luft holen.
    «Sie sagen, wenn wir nichts unternehmen, wird heute Abend noch jemand eins der Mädels aus dem Little Steer umbringen.»
    « Was ? Woher zum Teufel wissen die denn …?»
    «Stell keine Fragen, Frank, glaub mir einfach und mach, dass du da hinkommst. Wir haben nicht mehr viel Zeit.»
    Frank schaltete das Martinshorn ein, riss das Steuer herum und trat aufs Gas. Der Rollsplitt vom Straßenrand spritzte wie eine Fontäne in den Straßengraben, dann waren die Vorderräder wieder auf dem Asphalt, und die Hinterreifen hinterließen doppelte Bremsspuren auf der Straße. «Großer Gott, Mary, ich bin dreißig Kilometer weit weg!», brüllte er ins Funkgerät. «Ist denn keiner näher dran?»
    «Nein! Niemand! Also leg einen Zahn zu! Und lass das Funkgerät an!»
    «Alles klar.»
    Danach sagte Frank nicht mehr viel, weil er mit fast hundert Sachen über die Behelfsstraße bretterte und dabei sein Bestes tat, um den schlimmsten Schlammspuren der schweren Traktorreifen auszuweichen. Trotzdem wurde er hin und her geschleudert. Er hielt das Lenkrad fest umklammert und versuchte, den Wagen zumindest halbwegs gerade zu halten. Seine schweißnassen Hände rutschten fast ab, und das Herz klopfte ihm bis zum Hals.
    Du kannst nichts tun, Frank, du kannst absolut nichts tun, versuch einfach nur, heil da anzukommen. Wer zum Teufel sollte denn eins der Mädels aus dem Little Steer umbringen wollen, und warum in aller Welt? Wer hat heute überhaupt Dienst? Alma bestimmt, sie macht immer die Spätschicht; und Lisa, klar, die wohnt ja praktisch dort, aber großer Gott, nein, bitte nicht Lisa.
    Sie war eine großartige Köchin und ein großartiger Mensch, die beste Freundin seiner Tochter. Früher war sie oft bei ihnen zu Hause gewesen, als es noch das Heim einer Familie war, und bei der Beerdigung hatte sie ihre üppigen Arme um ihn geschlungen und ihm fast die Luft abgedrückt bei dem Versuch, sein Herz am Zerspringen zu hindern, während ihre Tränen auf die einzige Krawatte flossen, die er besaß.
    Siehst du, Frank, du schaffst es sogar, auf dieser gottverdammten Schlammpiste hundert zu fahren, vielleicht kriegst du ja auch hundertzwanzig hin, geh einfach langsam rauf, pass auf und atme, verdammt nochmal, atme …
    Rechts neben ihm blitzte ein grünes Straßenschild auf. Noch fünfundzwanzig Kilometer bis zur Autobahn.
***
    Grace konnte sich an Zeiten erinnern, in denen ihr im wahrsten Sinne des Wortes das Herz wehgetan hatte. Es war, als hätte sich eine riesige Faust darum geschlossen, die immer fester und fester zudrückte, bis Grace sicher war, ihr Herz würde zerquetscht. Diese Zeiten trugen Namen – die Namen von Menschen, die ihretwegen brutal ermordet worden waren –, und sie hielt sie im Schrein ihrer Erinnerung verschlossen wie wertvolle Juwelen, in einer Art Büchse der Pandora, die immer nur dann geöffnet wurde, wenn sie wieder einmal befürchten musste, es könnte ein weiterer Name hinzukommen. Kathy und Daniella, ihre Zimmergenossinnen auf dem College. Marian Amburson und Johnny Bricker, die so dumm gewesen waren, ihre Nähe zu suchen. Und Libbie

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