Sieh mir beim Sterben zu (German Edition)
eingeschaltet. Und die wiederum haben die Vorankündigungen zu den einzelnen Opfern entdeckt. Sie haben alle dasselbe Format. Für sich genommen wirken sie völlig harmlos, aber das Format weist darauf hin, dass diese Leute miteinander kommunizieren. Sich ihre Trophäen präsentieren.»
Offensichtlich dachte der Richter jetzt angestrengt nach, und zum ersten Mal, seit sie ihm begegnet waren, wirkte er ganz und gar konzentriert. Selbst sein Whiskyglas schien er vergessen zu haben. «Aber sicherlich kann doch entweder die Cyberkriminalitäts-Abteilung, oder aber Monkeewrench die Vorankündigungen oder die Filme irgendwann zurückverfolgen. Dann haben Sie Ihren Täter. Oder Ihre Täter im Plural.»
«Diese Leute, wer immer sie sein mögen, sind gut. Sie wissen genau, wie sie sich verstecken können. Und bisher sind sie alle völlig unauffindbar. Da haben Sie’s, Richter Bukowski. Reicht Ihnen das als Rätsel?»
Der Richter zog eine Augenbraue hoch. «Ich weiß zwar nicht allzu viel über Computer, aber doch mehr als genug über die Natur des Menschen. In einer einzigen Hinsicht kann man sich auf unsere Spezies hundertprozentig verlassen: Irgendwann machen wir alle Fehler. Ich würde sagen, die Tage Ihrer Täter sind gezählt.»
Magozzis Handy dudelte AC/DC, er entschuldigte sich und nahm den Anruf an. «Hallo, Grace?» Eine Zeit lang hörte er schweigend zu, dann zog er Notizblock und Stift aus der Tasche und begann mitzuschreiben.
«Was ist?», fragte Gino sofort, als er aufgelegt hatte. Der Ausdruck im Gesicht seines Partners gefiel ihm ganz und gar nicht.
«Sie haben bei Monkeewrench gerade eine neunte Vorankündigung gefunden: ‹Stadt des großen Käses, rosa Polyester, nicht weit vom Stier.› Sie glauben, das muss Wisconsin sein. Wir sollen Sheriff Halloran anrufen und sehen, ob er uns nicht helfen kann, einen genaueren Ort zu bestimmen. Die Zeit könnte knapp werden, einen weiteren Mord noch zu verhindern.»
Dem Richter fiel das Glas aus der Hand, es zerschellte am Boden, und bernsteinfarbene Flüssigkeit ergoss sich auf die weißen Marmorfliesen. «Ich hatte früher mal ein Ferienhäuschen in Door County», sagte er mit dumpfer, ausdrucksloser Stimme. «An der Kreuzung der Interstate 94 mit dem Wisconsin Highway 10. Kurz vor der Kreuzung liegt ein Diner, es heißt Little Steer , kleiner Stier. Und gut fünfzig Kilometer weiter steht ein gläserner Container mit dem seinerzeit größten Käse der Welt, der bei der Weltausstellung gezeigt wurde.»
Kapitel 19
Harley stampfte wie ein erzürnter Gorilla durch das Büro und schlug sich mit der fleischigen Faust in die Handfläche, während seine Stiefel über die Bodendielen donnerten. «Also. Stadt des großen Käses. Das muss doch in Wisconsin sein, oder?»
«Unbedingt», pflichtete ihm Annie bei.
Agent John Smith hatte beide Ellbogen auf den Tisch gestützt und fuhr sich mit den Händen durch die nichtexistente FBI-Frisur. «Kalifornien stellt pro Jahr aber mehr Käse her als Wisconsin.»
Dieser unsinnige Einwand wurde von Annie mit einem abfälligen Schütteln ihres schwarzen Bubikopfs quittiert. «Das stimmt einfach nicht. Ich war schon in Wisconsin. Es besteht praktisch nur aus Käse und stellt mehr davon her als jeder andere Bundesstaat. Stand auch auf dem Platzdeckchen in dem Diner, wo ich war.»
Smith zuckte die Achseln. «Das ist ja auch eine Frage der Ehre für die Milchproduzenten vom Dienst. Mengenmäßig ist Kalifornien schon lange an ihnen vorbeigezogen, aber sie wollen es immer noch nicht wahrhaben.»
«Das bringt doch alles nichts», knurrte Roadrunner hinter seinem Rechner hervor. «Ich habe hier fast drei Millionen Suchtreffer für ‹Käse›. Ich brauche genauere Parameter.»
«Nimm Kalifornien und Wisconsin dazu», sagte Harley. «Sonst steht in der Ankündigung nur noch ‹rosa Polyester› und ‹nicht weit vom Stier›.»
«Hab ich’s nicht gesagt, Agent Smith?» Annie schnippte mit den Fingern. «Nicht weit vom Stier. Wo gibt es mehr Rinder als in Wisconsin?»
«In Kalifornien. Und in Texas. Und wahrscheinlich auch noch in Oklahoma.»
«Das ist eine glatte Lüge.»
«Kann schon sein.»
Annies Brauen schossen in die Höhe. Das hatte verdächtig nach Neckerei geklungen und überraschte sie. Nach ihrer bisherigen Erfahrung war das Necken von Frauen unmittelbar mit dem Testosteronspiegel verknüpft, und Agent Smith sah eigentlich aus, als wäre ihm schon vor langer Zeit auch der letzte Rest davon ausgetrieben worden. Sie
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