Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel
neigen: Er machte es eng. »Ab Morgen bin ich weg. Es geht eigentlich nur heute um zwei. Aber das ist wahrscheinlich zu kurzfristig für Sie, wenn Sie extra aus der Eifel anreisen müssen.«
»Das passt schon. Danke«, sagte ich, »bis heute Mittag, Herr Stromberg!«
Wir fuhren gegen zwölf, und Emma und Jennifer begleiteten uns, weil sie beschlossen hatten, sich die Kölner Altstadt anzusehen und vielleicht dieses oder jenes Geschäft heimzusuchen.
Emma sagte: »Wir können den Rechtsanwalt nicht zu viert überfallen, da macht der dicht. Also haben wir das Vergnügen und ihr macht die Arbeit. Wie das so üblich ist.«
»Ich will den Dom sehen«, sagte Jennifer unternehmungslustig. »Da kann ich meinen Enkeln viel erzählen.«
Ich bat um eine Wasserflasche, und Rodenstock reichte sie mir. »Ich hoffe, es sind Heilschmerzen«, sagte ich und nahm eine der Schmerztabletten. Sie wirkten schnell und sehr gut. Ich fühlte mich durchweg ein bisschen benommen, wenn ich sie nahm. Kein guter Zustand.
»Alles im Dienste der Wahrheit«, bemerkte Emma ironisch. »Jennifers Mutter hat angerufen und gesagt, dass jemand um Jennifers Hand angehalten hat.«
»Ich wusste gar nicht, dass es so etwas noch gibt«, bemerkte Rodenstock.
»Es ist ein älterer Mensch, knapp über fünfzig. Witwer. Er hat noch viel mehr Geld als mein Vater, und wahrscheinlich will er sich mit mir schmücken.« Sie sprach hastig, gewollt lustig und wedelte dabei mit ihren Händen. »Und Mutter hat gesagt, er will auch auf jeden Fall ein Kind.«
Die beiden Frauen saßen vorne, Emma fuhr und legte Jennifer die Hand auf den Arm. Es wirkte sehr vertraut und tröstlich.
»Wie hältst du das eigentlich aus?«, fragte ich. »Was sagte deine Mutter noch? Dass du den Antrag annehmen sollst?«
»So hat sie es ausgedrückt. Es sei eine Ehre, hat sie gesagt. Wieso aushalten? Das ist bei uns so, das ist doch vollkommen normal.«
»Das ist es nicht«, murmelte Rodenstock. »Du bist sechsunddreißig.«
»Ja, und? Bei uns sind sie konservativ, aber sie sorgen sich um mich. Sie wollen das Beste, das steht fest.« Sie wirkte trotzig.
»Ich würde an deiner Stelle zu Hause anrufen und sagen, sie sollen sich nicht einmischen.« Ich merkte dass ich wütend war, und ich wollte sie reizen. »Wie ist das denn bei deinen zwei anderen Ehen gelaufen? Haben Papa und Mama da gesagt, du sollst die Kerle nehmen?«
»Ja, das haben sie. Aber was soll man denn dagegen haben?«
»Das ist, glaube ich, kein gutes Thema«, bemerkte Emma.
»Das ist sogar ein sehr gutes Thema«, widersprach Rodenstock heftig. »Ich erlebe einigermaßen fassungslos, wie Jennifer sich darauf verlässt, dass ihre Eltern ihr Leben managen und planen. Ihre Eltern entscheiden letztlich, ob sie ein Baby kriegt oder nicht. Und wahrscheinlich bestimmen sie auch, wer ihr Frauenarzt ist. Sie haben ihr bereits zwei Männer vermittelt, mit denen sie nicht leben konnte …«
»Aber mein Vater will doch endlich Opa werden«, sagte Jennifer wild.
»Das Thema ist gar nicht gut«, sagte Emma wieder, jetzt schon eine deutliche Spur lauter. »Wir können sie nicht treiben. Ihre Eltern haben bisher bestimmt…«
»Herrgott!«, schnauzte ich. »Das tut doch weh. Sie darf doch eigentlich gar nicht mehr nach Hause fahren, sie muss doch eigentlich hier bleiben, bis sie eine Entscheidung getroffen hat. Sie muss sich lösen. Das kommt spät, aber es kommt. Sie muss ihren Eltern die Brocken vor die Füße werfen, sie muss sagen, ich scheiße auf euer Geld und …«
»Baumeister!«, brüllte Emma. »Jetzt gehst du aber zu weit. Es ist ihr Leben, und wir sollten es nicht diskutieren. Und wir sollten, verdammt noch mal, ihr jetzt nicht vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen hat.«
»Das arme, stinkreiche Mädchen!«, sagte ich. »Das kommt alles ein bisschen sehr spät.«
»Lasst mich raus«, sagte Jennifer weinerlich. »Ich kann mir ein Taxi nehmen.«
»Rechts stehen Weißtannen, links Mischwald. Kein Taxi!«, sagte Rodenstock stinksauer. »Was habt ihr denn eigentlich dagegen, dass das Thema auf die Tagesordnung kommt?
Sind eure Seelchen verklemmt? Wollt ihr es zart und sanft? Verdammt noch mal, wenn Jennifer jetzt nach Hause fliegt, wird sie den dritten Ehemann bekommen und ein Kind. Und im nächsten Jahr ruft sie Emma an und sagt: Ich bin fertig, ich will zu euch.«
»So geht das nicht. Hört jetzt auf!«, sagte Emma verbissen. »Jennifer, du musst was unternehmen«, fuhr ich fort, jetzt aber in
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