Siggi Baumeister 19 - Mond über der Eifel
nur eine gute Idee, sondern kam auch mit neuen Verfahren.«
»Da fällt mir eine Frage ein«, sagte ich. »Wie viele Heilkräuter gibt es eigentlich?«
»Rund vierzehntausend«, erwiderte er. »Ich weiß, diese Fülle verwirrt, aber die Zahl stimmt tatsächlich. Dauernd reisen Biologen und Botaniker im Auftrag der Firmen rund um den Globus und suchen nach neuen Pflanzen, Pilzen, Wurzeln, Knollen. Dabei ist das Wichtigste, dass sie Pflanzen finden, die viele Heilstoffe in sich bergen. Es kann sein, dass eine Pflanze in Chile sehr viel Heilkraft hat und die gleiche oder ähnliche Pflanze in Tibet fünfzig Prozent weniger. Allein über Thymian könnte ich Ihnen einen zweistündigen Vortrag halten. Jakob Stern und Vonnegut haben, zunächst völlig ohne unser Zutun, mit Eingeborenen Verträge abgeschlossen. Die sicherten diesen Leuten ein definitiv höheres Einkommen. Parallel hat Stern alles an Rezepturen gesammelt, was er finden konnte. Dann hat er Versuche mit den entsprechenden Pflanzen gemacht. Einfach ausgedrückt: Er hat die Pflanzen zu kultivieren versucht, also an neuen Standorten angepflanzt. Das klappte nicht immer, aber es klappte immer häufiger. Dann hat er versucht, einen Teil dieser Pflanzen im Nationalpark Eifel anzubauen, in Randlagen. Auch das funktionierte nicht immer, aber einige Male eben doch. Den Partnern im Ausland hat er beigebracht, die Fundstellen der Pflanzen nicht abzuräumen, sondern mit Vorsicht zu behandeln, sodass auch in den folgenden Jahren geerntet werden konnte. Er hat sich über die Jahre immer weiter spezialisiert, und letztlich konnte ihm niemand mehr in der Branche etwas vormachen.«
»Und dann ging jemand hin und tötete ihn sowie die beiden anderen. Was haben Sie gedacht, als die Nachricht Sie erreichte?«, fragte Rodenstock.
»Ich habe es einfach nicht geglaubt. Dann Vonnegut, dann der Franz. Es kam mir vor, als würde jemand auf mich einprügeln.«
»Wer könnte denn dieser Mörder sein?«, fragte Rodenstock weiter. »Was glauben Sie?«
Er sah uns an, er breitete die Arme aus, er lächelte etwas verkniffen. »Ich weiß es nicht, ich habe absolut keine Vorstellung.«
»Würden Sie uns beschreiben, wie die erste Firma zustande kam?«, bat ich.
»Das war wohl eine private Verbindung zwischen Herrn Luchmann und Jakob Stern. Genaues weiß ich da nicht. Irgendwie haben sie sich kennengelernt, und Luchmann war Feuer und Hamme.« Er grinste. »Für einen linksrheinischen Katholiken war das natürlich der Schritt in die Bodenständigkeit, und genau das wollte ja Luchmann, er wollte weg von dem Geruch der Prostitution.«
»Und jetzt, nachdem wir drei Tote haben, steht er garantiert hier auf der Matte und will zurück ins Geschäft«, sagte Rodenstock schnell.
»Nein«, wehrte Stromberg ab. »Der kommt nicht rein, dessen Geld wollen wir nicht. Es ist schließlich Geld genug da, und also können wir uns sauberes suchen.«
»Wie ist denn die Hausnummer?«, fragte Rodenstock.
»Die Hausnummer liegt bei etwa fünfundzwanzig Millionen. Also, fünfundzwanzig Millionen auf der Seite der Produktion und Produktionsentwicklung. Wir sind mit fünfzig Millionen auf der Vertriebsseite drin. Weltweit.«
»Und Banken?«, erkundigte sich Rodenstock weiter.
»Kommen weniger in Frage. Banken sind auf diesem Sektor absolute Laien, der Markt ist klein und hochspezialisiert. Es gibt zwar genug Risikokapital auf Seiten der Banken, aber wir wollen privates Geld.«
»Und Sie werden es bekommen?«, fragte ich.
»Ohne Zweifel«, antwortete er. »Ich denke, dass wir einen gleichwertigen personalen Ersatz für die drei nicht bekommen, aber wir nehmen das Beste, was wir kriegen können.«
»Was sollte eigentlich der Franz machen?«, fragte ich. »Er war ja kein einfacher Partner, wenn ich das richtig verstanden habe.«
»Richtig. Sprit-Fränzchen haben wir immer gesagt. Also, der Franz hat die letzten Reisen mitgemacht, drei, glaube ich. Dabei stellten sie fest, dass Franz einen Riesenspaß entwickelte, wenn es um die Handelspartner ging, also die Indianer in den Staaten und die Leute in Kasachstan und so weiter. Und: Er trank eindeutig weniger.«
»Er hatte 2,2 Promille im Blut«, sagte Rodenstock freundlich aber bestimmt.
»Dann hatte er einen guten Tod«, sagte Stromberg leichthin und begriff in der gleichen Sekunde, dass er etwas grundsätzlich Faules gesagt hatte. Er wollte es unbedingt und ein für allemal reparieren und setzte hinzu: »Wenn er so voll war, wird er nichts gespürt
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