Sigi Wulle 1 - Sigi Wulle und die Bankraeuber
gefallen?“ fragte die alte Dame.
„Ja“, entgegnete der Dünne. „Und mich hat er mitgerissen. Deshalb blutet mir die Nase.“ Erst wollte ich etwas sagen, aber dann dachte ich, daß die Oma mir doch nicht helfen könnte. Vielleicht würde sie sogar meinen, ich machte einen Witz, und dann würden sie mich hinterher verhauen. Also schmiß ich die Tasche schnell in den Kofferraum und stieg in den Wagen neben den dicken Gangster, der langsam erwachte und die anderen fragte, ob alles geklappt habe.
„Alles!“ sagte die Blonde und grinste.
In dem Augenblick rannte meine Patin Berta um die Ecke, und ein Polizist hinter ihr her, um die Ganoven zu erwischen. Doch es war zu spät. Der Polizist zog seine Pistole, um zu schießen, aber sie redete auf ihn ein, wahrscheinlich, daß er das nicht dürfe, um nicht einen unschuldigen Jungen zu treffen. Da steckte er die Waffe weg und schaute nur zu, wie wir wegfuhren.
Kapitel 4
Der dünne Gangster, der Lulu hieß, trat auf den Gashebel, daß der Wagen einen Satz machte und die Reifen quietschten, und wir rasten los. Aber nicht geradeaus, sondern um viele Ecken und durch enge Gäßchen, wo die Leute zur Seite springen mußten, damit sie nicht überfahren wurden. So war eine Verfolgung unmöglich, denn keiner wußte, wohin sie fuhren, nicht einmal ich.
Ich mußte an Onkel Edilein denken, weil der dicke Gangster, den die anderen Karlchen nannten, noch mehr aus dem Hals stank. Mir wurde klar, was für ein mutiger Mann mein Onkel ist, obwohl er nicht so aussieht mit seinem kleinen Kopf, an dem eine zu große Unterlippe und zwei abstehende Ohren dran sind. Er wollte seinen Neffen beschützen, obwohl der ihm das Leben sauer gemacht hatte, und sich für ihn zusammen- oder vielleicht sogar totschlagen lassen. Das hätte ich nicht für möglich gehalten. Jetzt bereute ich ein bißchen, daß ich seine Lesebrille in die Kaffeekanne geschmissen hatte, und auch den Furz. Aber ich tröstete mich mit dem Gedanken, daß er bestimmt auch einmal ein solcher Rotzlöffel gewesen ist wie ich und vielleicht ein bißchen Verständnis für die Streiche eines Jungen aufbringt.
„Wo ist das Geld?“ schrie Karlchen plötzlich neben mir.
„Im Kofferraum“, sagte die Gangsterin Kitty. „Und die Bullen?“
„Sind hinter uns her.“
Er stöhnte und hielt seinen Kopf. Vielleicht war ihm übel, weil der Wagen so irre Kurven fuhr, manchmal bremste und dann wieder losraste, so daß wir darin herumgeschüttelt wurden und sich mein Magen fast umdrehte. Ich dachte an Patin Bertalein. Auch sie hatte großen Mut bewiesen. Wer möchte schon durch ein Fenster springen und mit gefährlichen Räubern kämpfen, die mit Pistolen schießen, und das alles für einen Knilch, der tote Frösche in Pantoffeln schiebt und ihre Schinken blamiert, so daß die Leute über sie lachen? Ich hatte plötzlich Respekt vor ihr, obwohl sie eine Frau mit dicken Stellen ist und einen Musterknaben aus mir machen wollte.
Wir flitzten immer noch durch die Straßen und über Bürgersteige, wenn es ein Hindernis gab. Einmal knallte es, weil wir eine Mülltonne rammten, worauf Karlchen den Lulu anschrie, er solle aufpassen, verdammt noch mal, dies sei keine Rennfahrt, sondern eine Flucht. Häuser flogen rechts und links vorbei, und an Kreuzungen bremsten und hupten die andern, um Zusammenstöße zu vermeiden. Strups zitterte unter meiner Jacke und ich auch, aber nur ein bißchen, denn ein Junge muß ein Kerl sein und darf keine Angst haben. Ein Polizeiauto, das uns verfolgt hätte, war nicht in Sicht, und das wollten die Ganoven mit ihrer verrückten Raserei erreichen.
Dann kamen wir an den Rand der Stadt, was man daran erkannte, daß die Häuser immer kleiner und die Gärten immer größer wurden.
Es breiteten sich Äcker mit Kartoffeln, Rüben und Mais oder Wiesen mit Kühen darauf aus, die nicht einmal herguckten, sondern weiterkauten. Die Gangster glotzten dauernd nach hinten, um sich davon zu überzeugen, daß keine Polente hinter uns herflitzte. Was nicht der Fall war, denn eine Behörde muß erst eine Weile überlegen, was sie machen soll, und dann ist noch die Frühstückspause dazwischen, weil auch ein Polizist sich ernähren muß, wenn er Verbrecher fangen will, und mit leerem Magen zu schwach wäre, um zu rennen, um Judo zu kämpfen oder zu boxen. Doch die Räuber können in der Zeit verduften, und keiner weiß wohin; es gibt ja so viele Autos, daß man nicht merkt, ob in einem drei Gangster mit einer Geisel
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