Signum - Die verratenen Adler
erbrach sich auf den schmutzigen SteinfuÃboden. Zitternd zog sie die Luft ein, der Gestank war so unerträglich, dass ihr gleich wieder übel wurde. Sie fiel auf alle viere und würgte.
»Sieh mal an«, vernahm sie eine trockene Stimme, »diese Schlampe hat wohl ein Vorhängeschloss am Arsch. Warum würde sie sonst durch den Mund scheiÃen!«
Raues Lachen schepperte durch den Raum.
Hannah machte die Augen zu und atmete durch den Mund. Nach einer Weile lieà die Ãbelkeit nach und sie schlug die Augen wieder auf. Die Zelle war klein, kleiner als ihr Schlafzimmer zu Hause. Und es war dunkel. Nur drauÃen im Gang brannte eine trübe Fackel und warf ihr spärliches Licht durch die dicken schwarzen Gitterstäbe. Die flackernde Flamme schien mehr Schatten als Licht zu erzeugen, trotzdem konnte Hannah die Umrisse von Menschen ausmachen. Manche bewegten sich im Dunkeln, andere rührten sich nicht. Ob sie schliefen oder tot waren, konnte sie nicht erkennen.
Hannah schätzte, dass über fünfzig Menschen in dem Raum waren. Von der anfänglichen Bemerkung abgesehen, nahm niemand Notiz von ihr. Die meisten hockten auf dem Boden, manche lagen dort in einem schmutzigen Knäuel aus Armen und Beinen.
Männer und Frauen.
Ihr wurde wieder übel.
Ganz oben in der Wand befand sich das einzige Fenster. Es war wie die Tür mit armdicken Eisenstäben vergittert. DrauÃen trieben graue Schneeflocken durch die Nacht, die vom Licht der StraÃenlampen erhellt wurden. Es gab keine Betten, nicht einmal Tisch und Stühle, und nur wenige der Insassen besaÃen eine Decke. Die ganze Länge der hinteren Wand nahm eine Holzpritsche ein, die mit einem dicken Brett an der Mauer abschloss. DieGefangenen lagen zusammengerollt auf der Pritsche wie auf einer Matratze und hatten den Kopf auf das Brett gelegt, als wäre es ein Kissen.
Hannah tastete sich durch die schlafenden Menschen und kroch zwischen zwei Mithäftlingen auf die Pritsche. Sie zog die Beine an und schlang die Arme um die Knie. Sie hatte immer noch einen galligen Geschmack im Mund. Unmöglich, an so einem Ort zu schlafen. Aus allen Ecken und Enden kamen sonderbare Geräusche: ein Grunzen, Stöhnen und Schnarchen. Und trotz der Eiseskälte war es stickig in der Zelle.
Hannah machte die Augen zu und versuchte sich vorzustellen, sie läge zu Hause in ihrem eigenen Bett. Sie wollte an das Märchen von Thomas denken, doch alles, was sie sah, war berstendes Eis und ein weiÃer Bär, der seinen Kopf schüttelte und ein ums andere Mal sagte:
Was hast du getan? Was hast du getan?
Im Leben von Hannah Cheshire gab es nur zwei Männer und die hätten verschiedener nicht sein können. Ihr Vater, Arthur Cheshire, verbrachte seine Abende in vornehmen Klubs, wo er mit anderen Herren von Stand Portwein trank und spielte. Hannah wusste nicht genau, welcher Beschäftigung ihr Vater nachging, sie wusste nur, dass er ein bedeutender Geschäftsmann war.
Er gab immer eine makellose Erscheinung ab. Seine Krawatten waren gestärkt und nach der neuesten Mode gebunden. Seine Hüte und Mäntel wurden von den besten Schneidern der Stadt gefertigt. Er trug kniehohe Reitstiefel mit goldenen Troddeln. Und er gab ein kleines Vermögen für ein breites Sortiment von Salben und Tinkturen für die Pflege seiner Haut und seiner Haare aus. Er war immer wie aus dem Ei gepellt und duftete dezent nach Lavendel.
Thomas Behr war Hannahs Hauslehrer.
Sein
Mantel war abgetragen und an den Manschetten durchgescheuert und nur dürftig geflickt. Seine Hände ragten aus viel zu kurzen Ãrmeln hervor. Der Stoff spannte über seinen breiten Schultern und jedes Mal, wenn er sich bückte, um etwas aufzuheben, gab es ein knarzendes Geräusch. Mr Behr war weder dick noch dünn, er schien auch nicht sonderlich kräftig oder stark zu sein. Hannah hatte den Eindruck, dass er sich in seinem groÃen Körper unbehaglich fühlte. Er zog seine Schultern hoch, um kleiner zu wirken, und machte in seiner schlecht sitzenden Kleidung einen ruhelosen und linkischen Eindruck. Seine hellen Haare standen immer in alle Richtungen, wenn er bei Hannah eintraf, und seine Nickelbrille war ein wenig verbogen und saà schief auf seiner vorspringenden Nase. Wenn er verlegen war, lief sein bleiches Gesicht puterrot an. Und die dezente Krawatte von Thomas Behr war zwar sorgfältig gebunden, hing aber immer ein wenig
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