Signum - Die verratenen Adler
sich hin plätscherte. Längst war es Oktober geworden, doch die Sonne schien noch immer heià vom wolkenlosen Himmel.
Caius ging ein paar Schritte bis zu einer Kreuzung, an der eine Statue des Princeps stand. Sie war von einer frommen Vereinigung gestiftet worden, wie die Inschrift auf dem Sockel verriet. Augustus war nicht wie bei denmeisten Darstellungen im Prachtharnisch als Feldherr abgebildet worden, sondern als Priester. Den Saum der Toga hatte er sich über den Hinterkopf gezogen, und in der aus dem Faltenmeer ragenden rechten Hand hielt er eine Opferschale.
Fastrada trat von hinten an Caius heran und umschlang ihn mit den Armen. »Wer ist das?«, fragte sie.
»Präg dir das Gesicht gut ein«, erwiderte Caius. »Wir sind heute Abend bei ihm zu Gast.«
NACHWORT
Was unserem Helden Caius in diesem Roman gelungen ist, schafften in Wahrheit nur wenige der Legionäre, Offiziere, Hilfssoldaten, Trossleute, Frauen und Kinder, die im September des Jahres 9 n. Chr. in den von Arminius gelegten Hinterhalt gerieten. Wie viele Menschenleben das Gemetzel tatsächlich gekostet hat, wird sich nie genau feststellen lassen; die Zahl bewegt sich irgendwo in einer GröÃenordnung von zwanzigtausend Menschen â zwanzigtausend Schicksale, denen unter anderen Umständen vielleicht wirklich ein friedlicher Lebensabend auf Bauernhöfen in Umbrien und Landhäusern in Campanien vergönnt gewesen wäre.
Abgesehen von ihrer Bedeutung für die Geschichte des römischen Imperiums und der germanischen Stämme, aus denen im Lauf der Jahrhunderte die Deutschen wurden, ist die Varusschlacht auch eine gewaltige menschliche Tragödie. Zwanzigtausend Familien weinten um ihre Angehörigen. Die Soldaten, die dem Blutbad entkommen waren, durften Italien nicht mehr betreten. Und die LegionenXVII, XVIII und XIX wurden nie wieder aufgestellt.
Während sich die Sieger über die Beute hermachten, die Toten plünderten und die Adler der drei untergegangenen Legionen unter sich aufteilten, eilten zwei Boten über das Land. Der erste ritt im Auftrag von Arminius durch die unwegsamen Wälder Germaniens bis zur Residenz des Markomannenfürsten Marbod. Im Gepäck hatte er den Kopf des Statthalters Varus als makaberes Bündnisangebot des Cheruskerführers an Marbod. Der aber verweigerte sich und schickte die schaurige Trophäe weiter nach Rom. Dort dürfte zu diesem Zeitpunkt bereits der andere Bote angekommen sein, der Augustus die Nachricht von der Niederlage überbracht hatte. Wie berichtet wird, schlug der Kaiser, der in diesen Tagen seinen einundsiebzigsten Geburtstag beging, mit dem Kopf gegen die Wand und schrie den toten Varus an, ihm die Legionen zurückzugeben. Die Angehörigen dieser Legionen lagen derweil mehr als tausend römische Meilen weiter nördlich geschändet und ausgeplündert über ein kilometerlanges Schlachtfeld verstreut. Es muss ein gespenstischer Anblick gewesen sein.
Nachdem Rom sich vom ersten Schock erholt hatte, wurde die Militärmaschine unverzüglich wieder angeworfen, um den Germanen zu zeigen, dass das Imperium nichts vergaà und nichts vergab. Wieder überquerten römische Legionen den Rhein, wieder wurden Landstriche verwüstet und Menschen verschleppt und ermordet. Sechs Jahrenach der Katastrophe, Augustus war inzwischen gestorben und von Tiberius beerbt worden, besuchte der römische Feldherr Germanicus das Schlachtfeld und lieà die verwesten und von Tieren abgenagten Skelette bestatten. Im Jahr darauf wurde er abberufen, vielleicht weil Tiberius ihm den Erfolg missgönnte â offiziell hieà es, der neue Kaiser habe beschlossen, die Germanen ihren eigenen Streitigkeiten zu überlassen. Genau solchen Streitigkeiten fiel Arminius einige Jahre später selbst zum Opfer, wahrscheinlich wurde er von einem seiner eigenen Verwandten ermordet. Sein Traum von einer gesamtgermanischen Stammesallianz unter seiner Führung war damit ebenso ausgeträumt wie Roms Traum von einer Provinz Germania, die bis zur Elbe reichte. Immerhin tauchten die drei verlorenen Legionsadler einer nach dem anderen bei den Stämmen wieder auf, die sie einst als Kriegsbeute von Arminius erhalten hatten. Sie kehrten als Symbole der Beharrlichkeit nach Rom zurück. Symbole der Unbesiegbarkeit waren sie nicht mehr.
Was in diesen dramatischen Septembertagen des Jahres 9 n. Chr. wirklich passierte, wo es passierte ist und wie es
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