Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Signum - Die verratenen Adler

Signum - Die verratenen Adler

Titel: Signum - Die verratenen Adler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Roemling
Vom Netzwerk:
Auf der Münze folgten weitere Buchstaben, deren Sinn sich Fastrada verschloss. Irmin hatte ihr endlos viel von seiner Zeit in dieser gigantischen Stadt aus Marmor und Gold erzählt, in der er als Junge jahrelang gelebt hatte und in der er sich zurechtfand wie ein Einheimischer. Was er berichtet hatte, klang unfassbar. Theater, auf deren Zuschauerrängen das ganze cheruskische Volk Platz gefunden hätte. Tempel mit steinernen Säulen, die dicker und höher waren als die größten Eichenstämme in diesen Wäldern. Bäder, in denen heißer Dampf vom Boden aufstieg und warmes Wasser aus Löchern in den Wänden strömte. Überfluss, wohin das Auge reichte. Statuen aus Marmor, die so echt aussahen, als würden sie jeden Moment von ihren Sockeln steigen. Frauen mit Goldschmuck, für den man ganze Rinderherden hätte kaufen können.
    Fastrada blickte wieder auf das Geldstück in ihrer Hand. »Das ist also ein Denar«, sagte sie nachdenklich. »Was kann man dafür kaufen?«
    Irmin, der wie sie auf einem Baumstumpf saß, lächelte. »Die wichtigste Frage gleich zuerst, was? Du verstehst schnell, worauf es ankommt, Cousinchen!« Er dachte kurz nach. »Einen Sack Weizen zum Beispiel. Oder zwei Hühner. Oder einen kleinen Ballen Wolle. Für hundert davonbekommst du in Rom einen Sklaven. Allerdings einen, der nichts kann. Soll er mit Pferden umgehen können, wird er doppelt so teuer. Soll er kochen können, wird er zehnmal so teuer.«
    Â»Zehnmal so teuer«, murmelte Fastrada. »Also vierzig Aurei?«
    Â»Exakt«, sagte Irmin. »Du hast alles begriffen.«
    Sie schwiegen wieder eine Weile. Fastrada drehte die Münze um. Auf der Rückseite war eine Art Tor mit drei Bögen abgebildet, über dem ein Vierergespann thronte. Der Wagenlenker hatte die Arme ausgebreitet. Rechts und links von ihm standen zwei Männer, die ihm zwei lange Stangen reichten, an deren oberen Ende etwas befestigt war. Fastrada grübelte. Die Umschrift mit ihren vielen Abkürzungen half ihr nicht weiter.
    Irmin beugte sich vor und löste das Rätsel auf. »Civibus et signis militaribus a Parthis recuperatis.«
    Â»Für die Rückführung der Bürger und Standarten von den Parthern«, übersetzte Fastrada, ohne zu überlegen. In dem knappen halben Jahr, seit Irmin aus dem Krieg in Pannonien zurückgekehrt war, hatte er ihr die Sprache der Römer beigebracht. Wenn ihr Cousin zu Besuch war, machten sie sich beim Essen bisweilen einen Spaß daraus, mitten in der Unterhaltung ins Lateinische zu wechseln, um die anderen zu ärgern. Die meisten ihrer Verwandten schüttelten den Kopf über Fastradas Wissbegier. Ihr Vater Inguiomer, ein Bruder von Irmins vor zwei Jahren verstorbenem Vater Segestes, war zwar selbst ein Verehrerder Römer, trotzdem fand er es reichlich übertrieben, dass ein Mädchen sich dem Studium von Schrift und Sprache hingab.
    Er ließ sie aber gewähren und schien sogar stolz auf seine kluge Tochter zu sein, die auf diese Weise vielleicht eine gute Partie bei den Leuten machen konnte, die die Zeichen der Zeit verstanden hatten. Manchmal schien er etwas misstrauisch darüber zu sein, dass sein Neffe so viel Zeit mit Fastrada verbrachte, die gerade fünfzehn Jahre und damit kaum mehr als halb so alt war wie er. Alles deutete aber auf eine rein freundschaftliche Beziehung hin.
    Â»Das war vor fast dreißig Jahren«, sagte Irmin und riss sie aus ihren Gedanken.
    Â»Wer sind denn die Parther?«
    Â»Ein Volk weit im Osten. Sie haben die Römer vor langer Zeit besiegt und ihnen drei Legionsadler abgenommen. Das ist das Schlimmste, was einer römischen Armee passieren kann. Ihre Adler sind heilig.«
    Â»Also sind die Römer nicht unbesiegbar?«
    Â»Niemand ist unbesiegbar.«
    Â»Warum erinnern sie dann mit einer Münze an ihre Niederlage?«
    Â»Sie erinnern nicht an die Niederlage. Du hast die Umschrift doch gelesen.«
    Â»Für die Rückführung der Bürger und Standarten von den Parthern«, wiederholte Fastrada. »Sie haben die Adler zurückbekommen.«
    Â»Und die Gefangenen auch. Die wenigen, die nach all den Jahren noch lebten. Augustus hat sie dazu gezwungen.«
    Fastrada drehte die Münze wieder um und blickte versonnen auf das Bild. Imperator Caesar Augustus. »Also haben die Römer am Ende doch gewonnen«, murmelte sie.
    Irmin lächelte. »Sie

Weitere Kostenlose Bücher