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Signum - Die verratenen Adler

Signum - Die verratenen Adler

Titel: Signum - Die verratenen Adler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Roemling
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anders.« Irmins Stimme war hart geworden und sein Gesicht verfinsterte sich. Fastrada bemerkte eine Regung, die sie von ihrem Cousin gar nicht kannte: Er schien gekränkt. »Vor allem in der Umgebung unseres Herrn Statthalters und bei den Stäben der Rheinarmee. So viele Schnösel und Großmäuler auf einem Haufen habe ich in Pannonien in meiner ganzen Zeit nicht gesehen. Sie glauben, Römer zu sein sei ein Rang.« Irmin schwieg wieder, als hätte er schon zu viel gesagt.
    So saßen sie eine Weile auf ihren Baumstümpfen. Um sie herum spielte die Sonne in den Zweigen der Bäume, die die Lichtung umstanden. Vögel zwitscherten in den Zweigen, und ein paar Schritte vor ihnen eilte ein schwarzes Eichhörnchen in eleganten, bogenförmigen Sprüngen auf eine Buche zu und schoss scheinbar schwerelos daran empor. Hinter den Stämmen zeichnete sich dunkel die Palisade einer Siedlung ab. Sie war von einem Graben umgeben und rechts und links des geöffneten Tores ragten zwei hölzerne Wachtürme auf. Wie eine römische Befestigung, dachte Fastrada, die einmal das Lager einer durchziehenden Legion aus der Ferne gesehen hatte.
    Irmin richtete sich mit einem Mal auf. »Fastrada«, sagte er so ernst, dass sie zusammenzuckte. Sie blickte ihn fragend an. Was kommt denn jetzt, dachte sie. »Du kennst doch das römische Lager eine Tagesreise von hier an der Lippe?«
    Â»Ja«, antwortete sie und wunderte sich über den kalten Unterton in Irmins Stimme. »Castra Lupiana.«
    Â»Ich möchte, dass du dort etwas für mich erledigst«, sagte er.

9
    Caius und Lucius stürzten zurück in die Herberge. Sobald sie die Gaststube betreten hatten, zwangen sie sich langsam zu gehen, um nicht die Aufmerksamkeit der anderen Gäste auf sich zu lenken.
    Caius pochte das Herz bis zum Hals, und er versuchte sein Keuchen zu unterdrücken. Seine Gedanken rasten. War der Mörder noch in der Nähe? Saß er womöglich ein paar Tische weiter und hatte sie längst im Visier? So sehr der Gedanke ihn auch beunruhigte, so erleichtert war er gleichzeitig, nicht mehr im Halbdunkel zwischen den Tannen bei dieser schrecklich zugerichteten Leiche hocken zu müssen. Sie waren wieder unter Menschen. Ihre Leibwächter hielten sich immer noch an dem Tisch in der Ecke auf. Ab und zu warf einer von ihnen einen Blick in die Runde.
    Uns kann nichts passieren, dachte Caius. Die Schatulle hatte er unter seiner Kleidung versteckt.
    Die beiden Freunde nahmen wieder Platz und atmeten tief durch.
    Lucius blickte seinen Freund über den Tisch hinweg an. »Worauf wartest du?«, drängte er. »Hol den Brief raus, oder was auch immer da drin ist!«
    Â»Ist ja gut.« Caius ließ die Schatulle unter seiner Tunika hervorgleiten und entnahm dem Geheimfach die Papyrusrolle. Die Schatulle stellte er auf den Boden. Er blickte sich um, aber niemand schenkte ihnen Beachtung. Vier oder fünf weitere Gäste waren dazugekommen, doch alle plauderten vor sich hin, aßen und tranken.
    Lucius trommelte ungeduldig mit den Fingern auf die Tischplatte, während Caius den Papyrus vor sich ausbreitete und ihn mit dem Arm glatt strich.
    Die Schrift war unsauber und in dem schummerigen Licht zweier kleiner Öllampen nur schwer zu entziffern. Wieder blickte Caius sich im Raum um. Noch immer nahm niemand Notiz von ihnen. Lucius rutschte unruhig auf der Bank hin und her und schien darauf zu warten, dass Caius zu lesen begann. Plötzlich zeigte er mit zitterndem Finger auf eine kurze Zeile, die einsam am oberen Rand des Blattes stand: der Name des Absenders. Caius erstarrte.
Publius Quinctilius Varus
. Sie blickten sich mit offenem Mund an. Es war ein Brief des Statthalters von Germanien!
    Â»Los«, drängelte Lucius.
    Und Caius begann stockend zu lesen, was die Zeilen ihm nur widerwillig preisgeben wollten. Es war nicht die charakterlose, routinierte Handschrift eines Amtsschreibers. Diese Schrift war eigenwillig und hatte wütende Oberlängen.Es war die Schrift eines Mannes, der es gewohnt war, Befehle zu diktieren.
    Mein Caesar
,
    ich leugne nicht, was Du mir vorwirfst. Seit ich diese Bürde mit mir herumtrage, seit fünfzehn Jahren, habe ich täglich mit dem Brief gerechnet, den ich jetzt in den Händen halte. Fünfzehn Jahre lang habe ich mich gefragt, was Du mich nun fragen wirst: Warum habe ich Dein Vertrauen missbraucht? Fünfzehn Jahre lang habe ich diese Frage

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