Silberband 003 - Der Unsterbliche
Kugelaugen in einem flachen,
breitgedrückten Echsenschädel ohne jeden Haarwuchs beobachteten aufmerksam. Der schmale, etwa
menschenhohe Körper besaß zwei Arme und zwei Beine. Die Hände waren sechsgliedrig. Die offenbar
sehr langen und schmalen Füße steckten in stiefelähnlichen Umhüllungen. Dieses Wesen besaß eine
überragende Intelligenz. Es stand fest, daß die Menschheit bei einem unverhofften Ansturm dieser
Wesen verloren gewesen wäre.
Bull war blaß geworden. Wortlos maßen sich die Vertreter zweier grundverschiedener
Entwicklungen.
Auch John Marshall war verstört. Deutlich empfing er den Bewußtseinsinhalt des Fremden. Darin
herrschten Angst und Panik vor. Marshall erkannte, daß die Ferronen höchstwahrscheinlich üble
Experimente mit den Echsennachkommen angestellt hatten. Dieser äußerlich so gefährlich aussehende
Topsider aus einem 815 Lichtjahre entfernten Sonnensystem schwamm in einem Meer von Furcht.
»Name Chren-Tork. Hoher Stabsoffizier. Ein sogenannter ›Tubtor‹. Das entspricht etwa dem Rang
eines Schlachtkreuzer-Kommandanten«, erklärte der ferronische Lagerleiter.
Bull blieb am Gitter stehen. Der schlanke Rumpf der Echse krümmte sich zum Sprung. Nur
Marshall erkannte, daß dies eine Geste instinktiver Abwehr war.
Bully sah anders aus als die blauhäutigen Ferronen. Der Topsider fühlte eine unbestimmte
Gefahr.
Chren-Tork lauerte. Seine großen Augen erfaßten alles. Als Offizier des topsidischen
Admiralstabs wußte er sehr genau, wem man die furchtbare Niederlage zu verdanken hatte. Immerhin
erkannte er in dem untersetzten gedrungenen Wesen keinen Arkoniden. Die hatten andere Haare und
höhere Rümpfe. Dennoch erschien ihm Bully gefährlich.
John Marshall trat in den Sichtbereich des Topsiders. Mit einem schrillen Pfiff des Entsetzens
raste Chren-Tork in den äußersten Winkel seiner Zelle zurück. Marshall kam noch näher.
Nun wußte Chren-Tork, mit wem er es zu tun hatte. Das war der Vertreter des Großen Imperiums,
gegen das sich Topsid in blutigen Kämpfen aufgelehnt hatte. Hier gab es kein Versteckspielen
mehr. Dem Gesandten des Planeten Arkon konnte er, Chren-Tork, auch nicht mit seiner
schreckerregenden Gestalt imponieren. Beide Völker kannten sich schon einige Jahrtausende
lang.
In letzter Konsequenz wußte der Gefangene, daß er dem Arkoniden in jeder Beziehung unterlegen
war. Das galt nicht nur für die arkonidischen Riesenschiffe.
»Chren-Tork, Tubtor des Dreisonnen-Reiches«, begann Marshall kalt im geläufigen Interkosmo. Er
hatte die Umgangssprache des Großen Imperiums durch das arkonidische Hypnotraining erlernt.
»Antworten Sie! Ich weiß, daß Sie Interkosmo verstehen und sprechen können.«
Die Antwort kam in hohen, schrillen Lauten. Auch wenn die Töne pfeifend klangen, so
vermittelten sie eine klar überlegte Antwort.
»Weshalb erwähnen Sie das? Es ist selbstverständlich.«
»Sie kommen mit. Mein Kommandant wünscht Sie an Bord seines Schiffes zu verhören.«
Chren-Tork glaubte, seine letzte Stunde sei gekommen. Der muskulöse Leib krümmte sich noch
mehr zusammen.
»Ich bin ein Gefangener der Primitiven. Sie haben kein Recht …«
»Ich habe«, unterbrach Marshall steif. »Sie unterstehen der Gerichtsbarkeit des Imperiums.
Öffnen Sie.«
Die Anweisung galt dem ferronischen Lagerchef. Chren-Tork blickte plötzlich in die Mündung
einer tödlichen Waffe. Er kannte die arkonidischen Desintegrator-Strahler.
»Er ist leise und unaufdringlich«, bemerkte Bully. Auch er hatte die Interkosmo-Schulung
erhalten. »Kommen Sie heraus. Ich stamme übrigens von der Welt, die Sie versehentlich mit dem
hiesigen Hauptplaneten verwechselt haben.«
Bull lachte. Das Spiel begann. Marshall registrierte die jäh erwachende Aufmerksamkeit des
Topsiders. Demnach hatte man im topsidischen Stab schon lange vermutet, daß man durch einen
winzigen Fehler das Zielgebiet falsch berechnet und damit die falschen Wesen angegriffen hatte.
Nun kam der offenbar so unvorsichtig ausgesprochene Hinweis.
Chren-Tork glitt auf den Gang hinaus. Es war kein direktes Gehen, sondern mehr ein
geschmeidiges Vorschnellen des Körpers. Bull fuhr sich mit der Zungenspitze über die trockenen
Lippen.
Marshalls kurzer Wink wurde von Bull erfaßt. Also hatte der Topsider die hingeworfene
Bemerkung registriert.
Vor der großen Schleuse des Landefelds bestätigte Chaktor die Übergabe des wichtigen
Gefangenen. Die Ferronen besaßen eine Bürokratie,
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