Silberband 012 - Der Anti
vollkommener Dunkelheit rematerialisierte er wieder. Der Scheinwerfer seines Raumanzugs
flammte auf. Ein Höhlengang, wie er ihn schon über siebzig Jahre nicht mehr gesehen hatte, wurde
im breiten Lichtstrahl sichtbar.
Er war zu Hause.
Er war im Bau. In solch einem Bau war er geboren, hatte er mit seinen Eltern und Geschwistern
gelebt, gegessen, geschlafen und – gespielt.
Aber vom hinteren Ende dieses tief liegenden Baues kamen die telepathischen Notschreie seiner
Artgenossen. Gucky bewegte sich, so schnell er konnte. Der breite Scheinwerferstrahl erhellte ihm
den Weg. Jetzt führte der Höhlengang steil bergab. Ununterbrochen erreichten ihn auf seinem Weg
die telepathischen Hilferufe.
Was ist mit meiner Heimatwelt passiert? Warum haben sie sich so tief in den Boden vergraben?
fragte er sich immer wieder.
Gucky stolperte, fing sich wieder, war im Begriff, das letzte Stück Weg im Teleportersprung
zurückzulegen, als der Höhlengang waagerecht weiterführte und in eine Kaverne mündete.
Piepsende Schreie empfingen ihn, als sein Scheinwerferstrahl eine kleine Gruppe Mausbiber
beleuchtete.
Mein Gott, das waren ja alles nur Kinder! Wo waren die Eltern?
Vom Licht geblendet, schlossen die kleinen Ilts die Augen und brachen in herzzerreißendes
Wimmern aus. Gucky versuchte, ihre Gedanken zu lesen, aber nur bei einigen gelang es ihm. Der
größte Teil der rund fünfzig Mausbiberkinder waren Babys, und ihr schwacher Parasinn drückte nur
Instinktverlangen aus: trinken, essen, schlafen, Verlangen nach mütterlicher Geborgenheit.
Gucky versuchte erst gar nicht, mit einem von ihnen zu sprechen. Er bediente sich der
Telepathie. Doch keiner der jungen Ilts konnte sich genügend konzentrieren, um auf diesem Weg mit
dem verzweifelten Gucky eine Unterhaltung zu führen.
Angst, Furcht, Hunger und Durst nahmen den gesamten Parasinn der Jungwesen in Anspruch.
Wasser und Lebensmittel mußten herangeschafft werden.
Gucky zögerte keine Sekunde. Er teleportierte zur SJ-09 zurück. Mit Schrecken entdeckte er,
daß der große Kühlraum nicht mehr funktionierte. Das Thermometer zeigte plus neun Grad an. Aber
bei neun Grad konnte so schnell noch nichts verderben.
Der Mausbiber riß die Kühlhaustür auf, sprang hinein und warf sie hinter sich wieder zu.
»Kindernahrung! Was können meine kleinen Ilts vertragen und was nicht?« Gucky begann den
Kondensmilchvorrat zu plündern, stapelte vor sich vier Kisten mit Delikateß-Mohrrüben auf, füllte
einen 50-Liter-Kanister mit Wasser voll, raffte alles zusammen und sprang.
In mehr als achthundert Metern Tiefe lag die Kaverne mit den verlassenen jungen Ilts. Sie
piepsten wieder erschrocken, als Gucky mit seiner Ladung zwischen ihnen rematerialisierte. Er
klappte den Raumhelm zurück, fand die Luft in der Höhle gut atembar und ließ jetzt zum erstenmal
seine Stimme hören.
Er sprach in seiner Muttersprache. Er sprach auf die Mausbiberbabys ein und auf
Heranwachsende, deren Alter etwa dem eines fünfjährigen Erdenkinds entsprach.
Je länger er sprach, um so ruhiger wurden die Kleinen.
Er zog seinen Raumanzug aus, und mit leichtem Herzklopfen nahm Gucky das erste Baby auf und
drückte es behutsam an sich.
Tränen der Rührung traten Gucky in die Augen, als die kleinen Ärmchen sich in seinem Fell
festkrallten und das kleine Mausbiber-Wesen sein Köpfchen an ihn drückte und von einem Moment zum
anderen einschlief, trotz Hunger und Durst.
»Was mache ich bloß?« fragte Gucky sich unglücklich.
Hilflos stand er zwischen den kleinen Ilts, die wieder zu wimmern begannen, und hielt zärtlich
das Baby in seinen Armen und wagte sich nicht zu bewegen.
»Kleines«, flüsterte er, »armes Kleines, schlafe jetzt schön. Gucky läßt dich und alle anderen
nicht im Stich.«
Als Gucky das erstemal wieder auf seine Uhr sah, stellte er mit Erschrecken fest,
daß er für die erste Versorgung dieser Babygruppe mehr als sieben Stunden benötigt hatte. In der
Zwischenzeit aber hatte er neue telepathische Notschreie aufgenommen. Sie kamen entweder aus der
süd- oder nordpolaren Gegend, dort, wo vor siebzig Jahren noch keine einzige Mausbibergruppe
gewohnt hatte. Seine Suchrufe über die gesamte Äquatorzone waren unbeantwortet geblieben.
Immer mehr machte er sich mit dem entsetzlichen Gedanken vertraut, daß nur noch ein paar
hundert Ilts auf Tramp lebten. Alle anderen, vor allem die Erwachsenen, mußten inzwischen tot
sein.
Hastig stieg er wieder in seinen
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