Silberband 018 - Hornschrecken
einmal den Schädel, und dann das Rückgrat dicht hinter dem Kopf. Du mußt
springen, verstehst du? Versuche, der Zunge auszuweichen. Der Krötenwolf kann sie nur langsam
zurückziehen. Wenn er damit beschäftigt ist, kann er nicht schnellen. Nimm die Zunge als
Sprungbrett, stoße dich ab, hüpfe mit beiden Füßen auf die Außenwülste und schlage zu. Das ist
deine einzige Möglichkeit. Wenn du in der Wahl deiner Waffen auch eigene Wege gehst, so befolge
wenigstens meine Angriffstaktik.«
Ich schlug ihm sanft auf die Schulter, und er knickte in die Knie. Wieder sah er mich so
prüfend an, daß ich unruhig wurde.
Als wir hinausgingen und die wartende Eskorte rechts und links von mir aufmarschierte,
flüsterte mir Akußa noch zu: »Voszogam ist gezwungen worden, dich zu stellen.«
»Von wem?« raunte ich zurück. »Kulan-Priester?«
»Nein, von einem Fremden aus Oszala. Er soll mächtig sein.«
»Wie lange ist er schon hier?«
»Man spricht von drei Ektaden. Er besitzt viele Schiffe. Wo hast du ihm oder einem Freund von
ihm an den Hals geschlagen?«
Der Ausdruck ›an den Hals geschlagen‹ bedeutete im Sprachgebrauch der Gladiatoren
›Ungelegenheiten bereitet‹.
Von diesem Augenblick an ahnte ich, daß Ebrolo gehandelt hatte. Er hatte sich in Malkino
umgesehen und sofort entdeckt, daß ich kein Eingeborener war.
Die Antis waren also nicht in das Spiel verwickelt. Mein ehemaliger Kollege hatte einen guten
Weg gefunden, mich unauffällig schachmatt zu setzen. Wahrscheinlich wartete er nun darauf, ob ich
es wagen würde, angesichts der zuschauenden Antis meine ertrusischen Superfähigkeiten zu zeigen
oder nicht. Es war ein Spiel mit dem Feuer, aber Ebrolo hatte alle Trümpfe auf seiner Seite. Ich
war so oder so erledigt.
Vor dem Fallgitter blieb ich stehen. Es schloß das unterirdische Labyrinth von der Arena ab.
Draußen war der vorletzte Kampf beendet worden.
Die leblosen Körper wurden aus dem Gelände geschleift. Frischer Sand vom Ufer des Meeres wurde
über den zerwühlten Boden gestreut.
Fanfaren erklangen. Die Leibwache des Masho marschierte auf. Akußa schlug mir noch einmal auf
die Schulter. Es war wie ein stummer Abschied. Dann glitt das Gitter nach oben, und ich schritt
hinaus.
Von zehn prächtig uniformierten Kriegern flankiert, ging ich auf die Loge des Herrschers zu.
Über mir, unübersehbar und das Kampfgelände beherrschend, erhob sich das bronzene Standbild des
Kulan-Gottes. Es stellte einen gerüsteten Krieger mit dem Kopf eines Krötenwolfs dar.
Die Menge begann zu jubeln. Heisere Rufe erreichten mein Ohr. Mein Name, der in den
vergangenen Wochen für die Salonen zum Begriff geworden war, erklang immer lauter.
Die Szene faszinierte mich wie immer. Ertruser sind geborene Kämpfer, die keiner Gefahr
ausweichen. Als sich die buntgekleidete Menge enthusiastisch von den Rängen erhob, schätzte ich
den Kampf mit dem Krötenwolf plötzlich leichter ein, als er es war. Die Begeisterung des Volkes
riß mich mit.
Das Gefühl der Siegessicherheit steigerte sich noch, als ich die Unruhe der Vornehmen
bemerkte. Auf dem zweiten Planeten der Sonne Eyciteo war es genauso wie auf anderen Welten: Wenn
die einfachen Bürger ihre Gefühle zu laut offenbarten, wurde die Minderheit der Herrschenden
nervös.
Der Masho geruhte sogar, sich von seinem Prunklager zu erheben und die Hände auszustrecken.
Neben ihm saßen zwei Kulan-Priester mit blutroten Umhängen aus feinsten Flaumfedern.
Ihre Hautfarbe war ein lichtes Braun. Sie stammten nicht von dieser Welt, aber das war weder
von den Salonen noch von anderen Völkern erkannt worden. Kulan-Priester waren eben nicht grün wie
normale Eysaler.
Ich bemerkte die Schutzschirmgeneratoren, die von den wahren Herrschern auf Eysal ganz offen
getragen wurden. Die Geräte hingen an breiten Gürteln. Ich war davon überzeugt, daß es die beiden
Antis in diesen Augenblicken für richtig hielten, die Schirmfelder aufzubauen und sie durch ihre
mentalen Körperstrahlungen zu verdichten. Damit waren sie für die auf Eysal gebräuchlichen Waffen
unverwundbar.
Die Gardisten blieben stehen, und ich breitete die Arme aus. Das rechte Knie beugend, den
Blick zum Kulan-Standbild erhoben, sprach ich die rituellen Worte, die ich an dieser Stelle nicht
erwähnen möchte, da sie lästerlich und frevelhaft sind. Ich mußte jedoch dem allgemeinen Brauch
folgen, um meinen Einsatz nicht zu gefährden.
Der Masho erteilte die Kampferlaubnis.
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