Silberband 027 - Andromeda
immer. Murdill strauchelte mehr als einmal. Aber immer wieder richtete er
sich rasch auf. Die Kampfpflanzen halfen ihm dabei, denn sie waren seine Verbündeten.
Irgendwo im Unterbewußtsein Murdills nistete ein Gedanke, der ihm etwas anderes hätte sagen
können, wäre er je bis zum Bewußtsein vorgedrungen. Aber die Kontaktalgen verhinderten das. Sie
sorgten dafür, daß Murdill und alle seine Artgenossen in dem Glauben blieben, die Kampfpflanzen
seien ihre Verbündeten und es sei höchstes Glück, mit ihnen zusammen für die letzte
Vollkommenheit der Gemeinschaft zu kämpfen.
Die Gemeinschaft – das allein zählte. Das Individuum galt nichts mehr auf dieser Welt.
Und solange noch ein einziges Wesen individuell dachte und handelte, würde der Kampf nicht
beendet sein …
Murdill wußte nichts davon, daß seine Vorfahren eben diese Würde des Einzelnen geachtet
hatten, gegen die er kämpfte.
Aber andere wußten es noch …
Ollok verhielt sich ruhig. In seinem jetzigen Zustand vermochten die Botas ihm nichts
anzuhaben. Er war sicher vor ihnen – und vor dem Grauen, das sie mit sich trugen. Aber
solange er sich innerhalb der Wand befand, waren auch die Botas sicher vor ihm.
Der Kampf um OL-hilfreich war kein offener Kampf. Menschen der Erde hätten ihn als
Guerillakrieg bezeichnet. Aber Menschen der Erde wußten nichts von OL-hilfreich, genausowenig wie
die Nachkommen der Ingenieure etwas von der Erde wußten.
Rechts von sich spürte Ollok Bewegung. War es schon soweit? Befand sich der Gegner in der
vorbereiteten Falle? Ollok wußte rings um sich die Gefährten. Sie warteten ebenso wie er auf den
Augenblick, in dem sich die Falle schloß.
Die Bewegung ebbte wieder ab. Noch war das Warten nicht zu Ende, dieses Warten, das zum
täglichen Leben auf und in OL-hilfreich gehörte wie die abgrundtiefe Nacht und der grünliche
Tag.
Olloks Gedanken glitten ab in die Vergangenheit. Er entsann sich der Berichte der Väter. Sein
eigener Vater war dem Angriff der Kampfpflanzen zum Opfer gefallen. Andere hatten seine, Olloks,
Erziehung übernommen. Sie vermittelten ihm das Wissen um sein Erbe, denn nach den Gesetzen der
Kosmischen Ingenieure war OL-hilfreich vom Vater auf den Sohn übergegangen und würde sein
Eigentum bleiben, bis sein Sohn das Erbe antreten konnte – oder bis die
Gemeinschaftsintelligenz den Rest des Besitztums verschlungen hatte.
Die Berichte erzählten von zwei fliegenden Stationen des Volkes der Paddler. Sie waren vor
einem übermächtigen Gegner aus den hellen, strahlenden Gefilden der Sternenwelt in die Düsternis
der großen Dunkelwolke geflohen. Ollok wußte nicht, wie die Sternenwelt aussah. Tagsüber sah man
von der Plattform aus nur eine grünliche Sonnenscheibe. Ihr Licht drang wie durch einen grauen
Schleier hindurch matt und schwach zur Oberfläche der Dschungelwelt. Nur die große Sonnennähe
hatte Leben hier entstehen und fortbestehen lassen. Des Nachts aber senkte sich absolute
Dunkelheit mild verhüllend über den Zufluchtsort, der zur Hölle geworden war.
Irgendwo hinter der Finsternis sollte das lichte Reich der Sterne liegen. So hatten die Alten
erzählt und damit die Sehnsucht nach jenen Gefilden unauslöschlich in die Herzen der neuen
Generation gesenkt. Einmal, so hieß es, würde man zurückkehren in das verlorene Reich der
Milliarden von Sonnen.
Ollok glaubte nicht mehr daran.
Die pflanzliche Gemeinschaftsintelligenz dieser Welt war zu stark. Sie duldete keine andere
Intelligenz außer ihrer Gemeinschaft. Und die Besatzung der zweiten Plattform war von ihr zu
Sklaven gemacht worden und bekämpfte die ehemaligen Brüder.
Oft hatte Ollok überlegt, wie es wohl heute aussähe, wäre die andere Plattform von Technikern
statt Botanikern bemannt gewesen. Die Botaniker hätten die Gefahr zuerst erkennen müssen.
Schließlich befaßten sie sich seit ungezählten Generationen mit dem Studium der Flora auf den
verschiedenartigen Welten. Sie boten den Bevölkerungen ihre Dienstleistungen gegen entsprechende
Bezahlung an und konnten innerhalb relativ kurzer Zeit eine Wüstenwelt oder einen
Dschungelplaneten, eine Wasserwelt oder einen von tiefen Sümpfen bedeckten Planeten urbar machen
und kultivieren. Oft sogar fanden sie eine unbewohnte Welt. Dann verwandelten sie sie in ein
ertragreiches, freundliches Paradies und boten sie Völkern an, denen ihr Planet zu klein geworden
war.
Das gleiche hatten sie mit dieser Höllenwelt versucht. Nur
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