Silberband 032 - Die letzte Bastion
dicht an der Wand, um sofort irgendwo in Deckung gehen zu können, wenn sie
angegriffen wurde.
Unter anderen Umständen hätte ihr diese Auseinandersetzung Freude bereitet. Sie liebte es,
Risiken einzugehen, doch diesmal hing alles vom Gelingen ihrer Pläne ab. Außerdem wollte sie sich
mit dem Mann, den sie trotz allem liebte, in keinen Kampf einlassen.
Unangefochten erreichte sie die Plattform vor dem Antigravschacht. Als sie sich in den Schacht
schwang, tauchte auf der Plattform der nächsten Etage ein affenähnliches Tier auf, das einen
Köcher mit mehreren Speeren trug. Es beobachtete sie. Die Waffen, die der Affe bei sich trug,
waren die gleichen, die Mirona im Körper des toten Tieres entdeckt hatte. Hatte er die Bestie in
Atlans Raum getötet?
Während sie nach unten schwebte, versuchte sie vergeblich, eine Antwort auf diese Frage zu
finden. Es war nicht ausgeschlossen, daß der Lordadmiral sich in der Nähe des Affenwesens
aufhielt. Deshalb war äußerste Vorsicht geboten.
»Mirona!«
Sie zuckte zusammen, als sie die Stimme erkannte, die ihren Namen rief. Ihr Kopf fuhr herum.
Zehn Meter unter ihr, auf der nächsten Plattform, stand Atlan. Er hatte seine Waffe in der
Hand.
Mirona schoß, ohne zu überlegen. Der Rückschlag der Waffe wirbelte ihren schwerelosen Körper
gegen die Wand des Schachtes. Sie umklammerte sie fest und schoß erneut. Sie sah, wie der
Schutzschirm des Arkoniden aufglühte, dann warf er sich hinter einen Metallsockel in Deckung.
Mirona wußte, daß sie an dieser Plattform vorbeimußte, wenn sie in die Transmitterstation
gelangen wollte.
»Admiral!« rief sie. Ihre Stimme fand in den unzähligen Gängen und Hallen ein vielfältiges
Echo.
»Wirf deine Waffen weg, Mirona!« rief er zurück. »Ich kann dich sehen. Du hast innerhalb des
Schachtes keine Deckung.«
»Ich habe meinen Schutzschirm«, sagte sie ruhig. »Versuch es nur, mich zu töten.«
Sie ließ sich los und sank langsam tiefer. Plötzlich sprang der Arkonide auf und feuerte einen
Schuß auf sie ab. Ihr Schutzschirm absorbierte die Energie, aber Mirona wurde gegen die
Schachtwand gepreßt. Ihre Schwerelosigkeit war aufgehoben.
Mit leisem Bedauern dachte sie daran, daß sie bei ihrem Aufbruch nach Tamanium freiwillig
darauf verzichtet hatte, jenen Schutzschirmprojektor mitzunehmen, den die MdI üblicherweise
trugen. Damit wäre sie für Atlans Kombiwaffe unbezwingbar gewesen. Sie hatte jedoch darauf
verzichten müssen, um nicht Gefahr zu laufen, vorzeitig enttarnt zu werden. Die Terraner wußten,
welche Art von Schutzschirmen die MdI besaßen, und wenn sie einen derartigen Projektor bei ihr
entdeckt hätten, wäre ihre Rolle durchschaut worden, noch ehe sie damit zum Ziel kommen konnte.
Dieser Gefahr wollte sie sich nicht aussetzen.
Mirona schüttelte trotzig den Kopf und verbannte diese Gedanken.
»Halt!« rief sie. »Ich kapituliere.«
Er trat zum Rand der Plattform und starrte zu ihr hinauf.
»Laß deine Waffen fallen, Mirona«, sagte er. Seine Stimme klang unnachgiebig.
»Natürlich«, sagte sie.
Sie streckte ihm einen Arm entgegen. Mit dem anderen schaltete sie das Flugaggregat ihres
Kampfanzuges auf volle Beschleunigung. Innerhalb des Antigravschachts erzielte die plötzliche
Beschleunigung einen weitaus größeren Effekt als unter normalen Bedingungen. Mirona hatte ein
Gefühl, als würde sie zerrissen. Vor ihren Augen verschwamm alles. Die Plattform schien ihr
entgegenzuspringen.
Atlan hatte keine Zeit, auf das tollkühne Manöver zu reagieren. Mirona Thetin prallte gegen
ihn und schleuderte ihn zu Boden. Geistesgegenwärtig rollte er sich zur Seite. An der Stelle, wo
er zu Fall gekommen war, schlugen die Strahlen ihrer Waffen ein. Sie lachte gellend und sprang in
den Schacht zurück. Sie hatte ihn überlistet. Der Triumph ließ ihr Herz schneller schlagen.
Sie wußte, daß er sie sofort verfolgen würde. Unter allen Umständen mußte sie ihn von der
Zeitstation ablenken. Er würde ihr keine Zeit lassen, die nötigen Schaltungen auszuführen.
Zunächst mußte sie ihn außer Gefecht setzen.
Sie landete auf der Plattform der nächsten Etage und rannte in den Hauptgang.
»Mirona!« hörte sie ihn rufen. »Zwinge mich nicht dazu, bis zum Tod gegen dich zu
kämpfen.«
Am Klang seiner Stimme erkannte sie, daß er bereits im Schacht war und sie verfolgte. Er mußte
vorsichtig sein. Er war jetzt in der gleichen Lage wie sie vor wenigen Augenblicken. Sie lächelte
grimmig.
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