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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerome Charyn
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BLUE EYES UND DER KÖNIG DER BARBIERE
VORWORT
    Ich war dabei unterzugehen, irgendwann Mitte 1973, verloren im Sumpf eines neuen Romans – ein Dinosaurier von einem Buch über einen König der Barbiere und die Republik Andorra –, als ich Ross Macdonald entdeckte. Ich hatte die Nase voll von meinen eigenen Mythologisierungen und wollte etwas Einfaches lesen. Einen Krimi – wieso nicht? Mir fiel The Galton Case in die Hände, und ich war von Anfang an begeistert von seinem einlullend neutralen Ton.
    Das Buch hatte eine Morphologie, die ich bewunderte – als ob Ross Macdonald sich zum Ziel gesetzt hatte, die Körper zu entkleiden, um darunter ihre Skelette freizulegen. Nichts wurde ausgelassen: Die Landschaft, die Sprache und auch die Charaktere wurden völlig entblößt. Das war allerdings kein der Einfalt geschuldeter Unfall. Es war vielmehr Macdonalds besondere Kunst, ein »wucherndes Mauerwerk, das Detail über Detail schichtet, um eine Struktur zu schaffen« {1}
    Wucherndes Mauerwerk. Das war der Kern von Macdonalds Arbeit: traurige, seltsame Geschichten, die irgendwo zwischen engen, geschlossenen Räumen herumkrochen. Der verlorene Sohn, der aus einer brutalen, blutrünstigen Vergangenheit auftaucht, wird zum Hochstapler, dessen Identität durch einen Mord das Licht der Welt erblickt. Im Zentrum all der Rätsel steht Macdonalds Erzählerfigur, Detective Lew Archer, der weder ein Marlowe noch ein Nick Charles ist. Stattdessen ist er eine Art Todesengel. Ein Beobachter mit echten Gefühlen, der jedoch nur einen kleinen Teil von sich selbst in den Text fließen lässt. Eine Hälfte von ihm ist stets abwesend. Oder wie Macdonald selbst sagt: »Sicherlich steht mein Erzähler, Archer, nicht im Fokus meines Interesses, auch ist er kein Charakter, mit dessen Schicksal ich mich besonders beschäftige. Er ist eine bewusst schmal gehaltene Erzählerfigur, so schmal, dass er fast verschwindet, wenn er einen Schritt zur Seite macht.« {2} Dieser enge Fokus erlaubt es Macdonald, sowohl eine Landschaft als auch eine Vergangenheit zu erschaffen, die keinerlei Sentimentalität enthalten. Macdonald kann töten, während uns sein Text einlullt.
    Ich widmete mich wieder meinem Dinosaurierroman King Jude. Aber die Dinge waren immer noch faul im Staate Andorra. Ich wusste nicht wohin mit meinem König der Barbiere. Ich konnte ihn in keine Handlung pressen, die Sinn ergab. Da ich ihn aber noch nicht aufgeben wollte, entschied ich mich, an einem Krimi zu schreiben, und Jude den Barbier in meinem Hinterkopf weiter köcheln zu lassen. Aber ich besaß nicht Ross Macdonalds Talent zum stringenten Einlullen. Meine Texte waren unausgegoren und geheimniskrämerisch wie eine Schlange. Ich konnte die Körper mit meinen Worten nicht entkleiden. Und ich liebte Kalifornien nicht so wie Macdonald. Ich hatte drei Jahre dort gelebt, aber es hatte keinerlei mythischen Reiz für mich. Ich erinnerte mich nur an Felsen und Mammutbäume. Ich musste meinen eigenen Detective erfinden und ihn nach New York bringen.
    Als Jugendlicher war ich Bodybuilder und Pingpong-Freak. Mein Wissen über die Unterwelt stammte aus Billardhallen und von Straßengangs in der Bronx. Mit zwölf hatte ich mich kurz als Schutzgelderpresser versucht, mir das Ganze aber schnell wieder abgewöhnt. Mit vierzehn lernte ich dann unregelmäßige französische Verben auf der High School für Musik und Kunst. Was zur Hölle sollte ich über das Verbrechen schreiben? Ich hätte in die Bibliothek gehen und mir Akten über die bekanntesten Diebe aus Manhattan und der Bronx ansehen müssen, aber ich wollte keinen Krimi schreiben, der nach Recherche stank. Ausnahmsweise konnte ich mich diesmal aber auf mein Glück verlassen. Ich hatte einen Bruder, der im Morddezernat tätig war. Also machte ich mich auf in die Wildnis von Brooklyn, wo er arbeitete. Ich traf mich mit Harvey Charyn in seinem Polizeirevier in der Nähe des Strandes. Ich sah die Zellen, in denen all die bösen Jungs einsaßen. Ich war im Mannschaftsraum, wo die Polizisten nach dem Einsatz ein Nickerchen hielten. Ich war Charyns kleiner Bruder, der Schreiberling, und die Frauen vom Polizeifunk flirteten mit mir. Ich traf einen Detective, dem im Kampf ein Ohr abgebissen worden war, einen anderen, der mit seinen Affären herumprahlte, und einen dritten, der zwar ständig nervös zusammenzuckte, aber voll bei der Sache war, wenn es heiß herging.
    Mein Bruder fuhr mit mir in die Pathologie von Brooklyn, da ich mir ja für meinen

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