Silberband 036 - Die Zeitpolizei
in eine Aura von Zurückweisung und Abneigung hüllten.
Das war verständlich. Jedes Gehirn, jedes Bewußtsein verlor ständig einen Teil seines
Energiegehalts nach draußen, und der so entstehenden Streustrahlung war das Strukturmuster der
Gedanken und Empfindungen aufgeprägt. Andere Gehirne, manche mehr, manche weniger, waren in der
Lage, die Streustrahlung zu empfangen und ihr Muster zu verstehen.
Das war einfach und, wie alle grundlegende Theorie, leicht begreiflich.
Wo aber war das fremde Bewußtsein, das die Strahlung aussandte, die Icho Tolot und Fancan Teik
empfingen?
Tolots Planhirn arbeitete auf vollen Touren. Wenn ich nach einer Kontrollstation suchte, einem
Kraftwerk oder sonst einem zentralen Punkt – wohin würde ich mich wenden?
Zu dem Turm!
Der Turm stand am Nordrand der Stadt. Er hatte einen kreisrunden Querschnitt und durchmaß an
der Basis mehr als einen Kilometer. Er war mehr als fünf Kilometer hoch und wirkte in seiner Art
unfunktionell und ein wenig lächerlich, denn es gibt Grenzen für die Ausmaße von Gebäuden,
jenseits derer Dimension und Zweck nicht mehr in logischem Verhältnis stehen.
»Ich schlage vor, daß wir uns den Turm ansehen, Teiktos«, sagte Icho Tolot, und sein Freund
stimmte zu.
Sie gingen die schuttübersäte Straße entlang, die geradewegs auf die Basis des Turms zuführte.
In ihren Tagen mußte sie eine Prachtavenue gewesen sein, mehr als zweihundert Meter breit, über
die der Strom der Fahrzeuge sich mehrbahnig in beiden Richtungen ergoß. Jetzt war sie tot und
schmutzig. Auf starken Säulenbeinen bewegten die beiden Haluter ihre mächtigen Körper, von denen
jeder so hoch war wie zwei normale Terraner, mühelos über staubige Schuttberge hinweg. Weit
ausgreifend erreichten sie den Turm innerhalb weniger Minuten.
Die Mauern des mächtigen Bauwerks hatten der Zeit standgehalten. Die Beschädigungen waren
gering im Vergleich mit denen, die die meisten Gebäude der Stadt davongetragen hatten. Die
himmelhohe, gewölbte Wand war fensterlos und machte einen feindseligen Eindruck. Am Fuß des Turms
gab es ein Portal, dessen poliertes Metall früher in der Sonne geglänzt haben mußte. Jetzt war es
stumpf und schmutzig von dem Staub, der sich darauf abgesetzt hatte.
Das Portal war verschlossen. Es gab keinen Öffnungsmechanismus. Als der letzte Gurrad die
Stadt verließ, hatte er dafür gesorgt, daß kein Unbefugter mehr den Turm betreten konnte.
Fancan Teik warf dem Freund einen fragenden Blick zu.
»Wir haben keine andere Wahl, Teiktos«, sagte Tolot.
Fancan Teik stand starr. Nichts schien sich an ihm zu verändern, nur der matte Glanz seiner
ledernen Haut nahm um einen Grad zu, als er kraft seines Willens die Körpersubstanz in
kristalline, eisenharte Materie verwandelte. Er trat ein paar Schritte zurück und nahm Anlauf.
Die Greifarme dicht an den Körper gepreßt, mit Sprungarmen und Beinen sich abwechselnd abstoßend,
gewann er auf der kurzen Strecke, die ihm zur Verfügung stand, die Geschwindigkeit einer
Kanonenkugel.
Es gab einen donnernden Krach, der hohl in der leeren Stadt widerhallte. Das schwere
Metallportal faltete sich zusammen und wurde zur Seite geschleudert, und Fancan Teik war im
Innern des Gebäudes.
Icho Tolot folgte ihm ohne Zögern. Der Raum, in dem Fancan Teik gelandet war, hatte die
Ausmaße einer Versammlungshalle und war völlig leer. In den Wänden gab es mehrere rechteckige,
etwa zwei Meter hohe Öffnungen, die früher zu Aufzugschächten geführt haben mußten. Es gab
außerdem eine Reihe von breiten, hohen Türen, die weiter ins Innere des Gebäudes führten. Sie
waren nicht verschlossen, sondern bewegten sich quietschend in längst korrodierten Lagern, wenn
Icho Tolot sich dagegen lehnte.
Fancan Teik hatte die Strukturverwandlung seiner Körpersubstanz wieder rückgängig gemacht und
half dem Freund bei der Suche nach dem Weg, der sie zu den eigentlichen Geheimnissen im Innern
des gigantischen Turms führen sollte. Sie entschieden sich schließlich für eine Tür, die dem von
Fancan zertrümmerten Haupteingang gegenüberlag und in einen Saal führte, der mit halb
zerfallenen, vom Rost zerfressenen technischen Gerätschaften erfüllt war. Ihre Plangehirne
verarbeiteten die Informationen, die die drei Augen ihnen zuführten, und gelangten zu dem Schluß,
daß sich in früheren Zeiten in diesem Saal eine Verteilerzentrale befunden haben mußte, die die
von den Pfranat-Kraftwerken erzeugte
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