Silberband 046 - Der Todessatellit
Zweifel. Deshalb bat er den Servocomputer um eine Datumsdurchsage.
»Nach Standardzeitrechnung haben wir heute den ersten Mai des Jahres dreitausendvierhundertzweiunddreißig«, schnarrte die Computerstimme diensteifrig.
Nun erst atmete Derbolav endgültig auf.
»Danke!« entfuhr es ihm. »Programm normal zu Ende führen!«
Er seufzte wohlig, als der Massageroboter ihn mit Zitrusöl besprühte und anschließend mit seinen Druck- und Zugfedern den ganzen Körper systematisch durchknetete. Ein anderes Roboterelement wusch ihm die Haare, massierte den Haarboden mit Warmluftfeldern und flocht anschließend den handlangen Zopf im Nacken des Prospektors neu.
Als der Schlaftank ihn freigab, reckte sich Derbolav de Grazia. Wohlgefällig betrachtete er dabei das Spiel seiner Muskeln im Feldspiegel.
Ärgerlich verzog er das Gesicht, als der Interkommelder summte.
»Bitte!« rief er laut.
Der Interkom nahm es als Befehl zur Aktivierung.
Auf dem 3-D-Bildschirm entstand das Abbild von Juans Gesicht. Es verzog sich zu einem flüchtigen Grinsen, als Juan seinen Vetter und Patriarchen nackt sah. Dann sagte er:
»In zehn Minuten verlassen wir den Linearraum. Wir befinden uns dann vierzehn Lichtstunden von der Sonne Syl Pato entfernt. Ich dachte mir, daß du das Kommando dann selbst übernehmen solltest.« Er verzog das Gesicht, als hätte er in einen sauren Apfel gebissen. »Meine Meinung kennst du ja.«
Der Patriarch nickte.
Was den Planeten Angerook anging, waren er und sein Vetter Juan gegenteiliger Meinung. Juan hielt das Risiko für zu groß.
»Ich bin in zehn Minuten oben«, sagte er. Mit ›oben‹ meinte er die Kommandozentrale der ROSSA OBERA, obwohl sie auf dem gleichen Deck wie die Kabine des Patriarchen lag. Aber die Raumfahrt als Nachfolgerin der Seefahrt hatte zahlreiche der alten Begriffe übernommen und pflegte sie.
Eilig kleidete Derbolav de Grazia sich an. Er begnügte sich, wie meist, mit einem enganliegenden Unterdreß und einer schwarzen Raumkombination darüber. Auf den Schultern befand sich das Wappen der Grazia-Sippe, die 3-D-Darstellung einer blau leuchtenden Phantasieblume in einem schwarzen Kraterloch. Die runde, fünfundzwanzig Zentimeter durchmessende Gürtelschnalle enthielt einen HÜ-Schirmprojektor siganesischer Konstruktion; im zur Montur gehörenden Halfter lag ein moderner Strahler. Der zusammengefaltete Helm verbarg sich unter dem steifen Zierkragen der Kombination.
Eine halbe Minute vor dem Linearraumaustritt nahm Derbolav seinen Platz in der Zentrale ein. Er bemerkte zwar die gespannte Atmosphäre an Bord, kümmerte sich jedoch nicht darum.
Als das Dröhnen des Linearkonverters verstummte und die Sterne des Normalraums sichtbar wurden, schaltete Derbolav das Elektronenteleskop ein. Das stark vergrößerte Abbild des Planeten Angerook wurde auf eine Schirmwand projiziert.
»Sieht unbewohnt aus«, bemerkte Juan Mellone-Grazia.
»Man merkt, daß du jahrelang nicht bei der Sippe gewesen bist«, erwiderte Derbolav ironisch. »Angerook, der zweite Planet des Syl-Pato-Systems, ist tatsächlich unbewohnt. Es handelt sich um eine erdgroße heiße Wüstenwelt mit mittleren Temperaturen von 48 Grad Celsius am Äquator. Wasser gibt es nur in einem relativ kleinen Ozean und in zwei subplanetarischen Kavernen, die allerdings einige Billionen Hektoliter fassen. Die Gebirge bestehen größtenteils aus aktiven Vulkanen. Vegetation …« Derbolav zuckte die Schultern. »… Vegetation in unserem Sinne gibt es nur in unmittelbarer Wassernähe. Sonst in Form von hartem Pseudoginster, der seine Nährstoffe aus der Luft bezieht und mit Hilfe der Sonnenenergie umwandelt. Niemand würde in den nächsten hunderttausend Jahren auf die Idee kommen, Angerook zu besiedeln.«
Er lachte.
»Deshalb werden die Terraner ihn auch als Flottenmagazin ausgebaut haben.«
»Ich glaube noch immer nicht, daß wir einfach in ein terranisches Flottenmagazin eindringen und uns selbst ›bedienen‹ können«, murmelte Juan skeptisch.
Der Patriarch grinste breit. Die übrigen Prospektoren in der Zentrale grinsten mit, denn sie kannten das Geheimnis von Angerook, im Unterschied zu Juan Mellone-Grazia, der sich damals gerade zu einer Spezialausbildung an der Universität von Terrania befunden hatte.
Damals …
Derbolav de Grazia blickte lächelnd auf den Projektschirm, ohne das Bild darauf bewußt wahrzunehmen. Er merkte auch nicht, daß er erzählte, während die Bilder der Erinnerung entstiegen und sich vor deinem
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