Silberband 047 - Die Cappins
Sie tauchte aus dem Nebel hervor, ohne völlig materiell zu werden. Corello konnte nicht feststellen, ob diese Gestalt wirklich existierte. Er starrte sie an.
Es war Kitai Ishibashi. Sein Vater. Sein Vater, der schon längst tot war. »Vater!« schrie Corello.
Die Gestalt bewegte sich. Sie schien sich wieder auflösen zu wollen, blieb aber sichtbar. Sie blickte aus großen Augen auf Corello herab. Vorwurfsvolle Blicke waren es, unter denen Corello sich wand.
»Warum bist du der Menschheit untreu geworden, mein Sohn?« fragte die Gestalt.
Ribald Corello zuckte zusammen. Sprach dieser Fremde wirklich, oder kam die Stimme aus Corellos Unterbewußtsein?
»Warum wurdest du zum größten Verbrecher der Galaxis?« fuhr Kitai Ishibashi fort. »Du hast gute Erbanlagen. Dein Vater war der Menschheit treu.«
Corello schickte einen telepathischen Befehl aus. Er verbot seinen geistigen Sklaven, die in der Lasztman-Ballung eingedrungenen Fremden anzugreifen. Er wußte, daß er damit seinen früheren Befehl widerrief. Aber er konnte nicht anders.
Nicht, solange dieses Gesicht auf ihn herabstarrte.
»Mein Sohn, du mußt dich ändern!«
Die Stimme war deutlich zu hören. »Du darfst nicht so weiterleben wie bisher.«
Corello begann zu weinen. Längst vergessen geglaubte Erinnerungen wurden in ihm wach.
»Beschimpfe mich nicht!« flüsterte er schweißüberströmt. »Ich werde alles in Ordnung bringen.«
»Du darfst den Fremden nichts tun. Sie wollen dir helfen. Denke immer daran, mein Sohn.«
»Bist du wirklich mein Vater?« fragte Corello.
»Ich bin die Summe deiner Kenntnisse, die du über mich besitzt«, antwortete die Vision.
Dann verschwand sie.
Corello lag ausgestreckt am Boden. Er wimmerte. Seine Hände zitterten. Dann war alles vorbei.
»Hierher!« befahl er.
Die Roboter schwebten heran, hoben ihn auf.
»Festhalten!« kommandierte Corello. Die Erinnerung an die Vision verblaßte, nur eine quälende Ungewißheit blieb. Die Erinnerung an einen Namen, an Wünsche und Gefühle, wie Corello sie bisher nicht gekannt hatte.
»Loslassen!«
Die kleine Gestalt mit dem großen Kopf stand schwankend im Raum. In diesem Augenblick wirkte sie nicht häßlich, bestenfalls bedauernswert.
»Warum ist es so still?« rief Corello.
Sofort begann Musik zu spielen. Eine wilde, kaum verständliche Musik, die Corello selbst geschrieben hatte. Gleichzeitig liefen Bilder über die Wände. Corello projizierte diese Bilder mit seiner psionischen Energie auf die Wände.
Er sah sich selbst, aufrecht und stolz, wie er eine riesige Ebene durchwanderte.
Da ging er!
Die Bilder wechselten. Eine Schlucht wurde sichtbar. Sie war nur dreißig Zentimeter breit. Auf der einen Seite strömte der Fluß vorbei, aus dem Corello zu trinken hoffte.
Er konnte nicht über die schmale Schlucht springen. Er mußte verdursten, weil er nicht fähig war, dreißig Zentimeter zu springen. Er konnte überhaupt nicht springen.
Die Bilder wechselten erneut.
Corello stand auf einem Hügel. Die Sonne strahlte auf ihn herab. Unter ihm bewegte sich eine Masse von Menschen, die seine Sklaven waren. Sie wogten an ihm vorüber, die Blicke gesenkt, die Rücken gebeugt. Er schritt zu ihnen hinab. Auf ihren Rücken ging er weiter.
Ein paar dieser anonymen Wesen blickten auf.
»Er kann überhaupt nicht gehen!« riefen sie.
Die Masse teilte sich. Corello fiel zu Boden, unfähig, sich wieder zu erheben. Sie schritten über ihn hinweg, und er spürte jeden einzelnen Tritt. Ihre Füße bohrten sich in seinem Körper.
Die Bilder verschwanden.
Da! Die Gestalt! Sie erschien schon wieder.
Corello erlebte einen Schock, als er sah, daß es diesmal seine Mutter war, die vor ihm stand.
»Mutter!« stammelte er. »Warum hast du den Schrein verlassen? Bist du aufgewacht?«
Entsetzt erinnerte er sich daran, daß seine Mutter tot war. Sie lag tot im Sarg auf dem Dach von Corellos Schrein, in ihrer unvergleichlichen Schönheit, für alle Zeiten konserviert.
»Mein Sohn!«
Die Stimme klang weich und liebevoll.
Der Mutant stürzte zu Boden.
Er sah, daß seine Mutter weinte. Sie weinte um ihn. Ihre Trauer war unbeschreiblich.
»Mutter!« rief Corello und stöhnte. »Geh weg, Mutter! Ich ertrage es nicht!«
Sie streckte die Hände aus, als wollte sie ihn berühren, aber sie glitt durch seinen Körper hindurch. Trotzdem war sie da! Er sah sie. Er hörte sie. Sie war Gevoreny Tatstun, seine Mutter.
»Wie konntest du zu einem Verbrecher werden?«
Corello schloß die Augen,
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