Silberband 055 - Der Schwarm
organisiert.«
Simon lehnte sich gegen das Treppengeländer. Er kam sich einsam und verlassen vor.
»Warum kümmert sich niemand um uns?«
Asythia antwortete: »Jeden Tag fliegen ein paar Gleiter über die Gebäude hinweg. Über Lautsprecher werden alle, die noch in Ordnung sind, dazu aufgefordert, sich in der Zentrale zu melden. Alle anderen werden zur Ruhe angehalten. Jemand versucht, alles wieder in Ordnung zu bringen. Vielleicht werden wir bald mit Nahrungsmitteln beliefert.«
Der Blinde befand sich jetzt mitten auf der Treppe und stieg langsam hinab.
»Soll ich Sie begleiten?« fragte Asythia.
»Das ist mir egal«, erwiderte der Dieb.
Sie begann auf der Arkna zu spielen, folgte ihm aber nicht. Unangefochten erreichte Simon die Zwischenetage.
Das Spiel der Arkna verstummte.
»Sie sollten wirklich aus dem Fenster sehen können«, meinte Asythia. »Dunkle Wolken ziehen auf. Ab und zu zuckt ein feuriger Streifen über den Horizont. Dann …«
Sie unterbrach sich, denn lang anhaltender Donner drohte ihre Worte zu übertönen.
»Explosionen!« rief der halbtote Simon erregt. »Das sind Schüsse.«
»Sie waren vorher nicht sehr intelligent«, sagte sie nachdenklich. »Ich merke es an Ihrer Sprechweise.«
»Ich bin klüger als Sie!« behauptete der Blinde.
»Es ist das Wetter«, meinte sie beunruhigt. »Das Wetter ist außer Kontrolle geraten.«
Ihre Worte wurden für den halbtoten Simon immer unverständlicher. Er setzte seinen Weg nach unten fort.
Ab und zu hörte er sie noch kichern, dann zog sie sich in ein Zimmer zurück und schlug die Tür zu.
Der Verdummte erreichte die große Vorhalle. Abfälle, Trümmer und andere Hindernisse machten ihm das Vordringen zum Ausgang schwer. Eine Katze, die lautlos auftauchte und dann schnurrend um seine Beine strich, versetzte ihm einen Schreck. Mit klopfendem Herzen erreichte er die Tür.
Glücklicherweise ließ ihn seine Erinnerung nicht im Stich. Er wußte genau, wie es in seiner Umgebung aussah. Die Tür bestand aus Leichtmetall und besaß mehrere kristalline Sichtöffnungen. Sie glitt automatisch nach oben, wenn jemand ein- oder austreten wollte.
Doch diesmal blieb das schleifende Geräusch aus. Die Tür öffnete sich nicht. Die Automatik war beschädigt oder ausgefallen.
Die Hände des Blinden tasteten über das kühle Material. Von draußen kam wieder das langanhaltende Donnergeräusch.
»Ich will hier raus!« schrie der halbtote Simon. Er hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür. Sie bewegte sich nicht. Voller Panik warf der Blinde sich mit seinem Körper gegen die Tür. Es war sinnlos.
Allmählich beruhigte er sich wieder. Ihm fiel ein, daß es ein paar andere Ausgänge gab. Notfalls konnte er durch einen Luftschacht nach draußen kriechen.
Er tastete sich an der Wand entlang bis zum Lift. Wenig später stand er vor der Zwischentür, hinter der der zur Versorgungszelle führende Korridor lag. Die Tür ließ sich öffnen. Heißer Dampf quoll Simon entgegen. Der Blinde hustete. Er bekam kaum noch Luft. Hastig schlug er die Tür wieder zu. Er lehnte mit dem Rücken dagegen.
Wahrscheinlich, überlegte er, war irgendwo ein Kessel geplatzt. Oder Wasser verdampfte auf beschädigten Heizröhren.
Wasser!
Simon leckte sich die Lippen.
Abermals öffnete er die Tür und drang ein paar Meter in den Korridor ein. Der heiße Dampf zwang ihn zur Umkehr. Als Simon die Tür wieder schloß, stiegen helle Qualmwolken zur Decke auf. Doch die konnte der legitimierte Dieb nicht sehen.
Das langsam arbeitende Gehirn des Verdummten begann zu planen.
Simon zog seine Jacke aus und riß einen Stoffstreifen aus seinem Hemd. Dann zog er die Jacke wieder an und preßte den Stoffetzen vor sein Gesicht. Er zwang sich dazu, langsam zu atmen. Mit eingezogenem Kopf drang er in den Korridor ein. Er rannte, um die gefährliche Strecke schnell zu überwinden. Hinter ihm wirbelte der Dampf in die Vorhalle. Der halbtote Simon stieß mit den Schultern gegen die Wand, aber er ließ sich nicht aufhalten. Die Atemnot ließ sein Gesicht rot anlaufen. Seine Halsschlagader schwoll an. Als er glaubte, es nicht mehr aushalten zu können, riß er sich den Stoffetzen vom Gesicht.
Er atmete den heißen Dampf ein, hustete und würgte. Dann prallte er gegen ein Hindernis.
Er fiel zu Boden. Sofort spürte er, daß die Luft hier unten besser war. Auf allen vieren kroch er weiter. Allmählich ließ die Hitze nach. Seine Hände, die nach der Wand tasteten, griffen ins Leere. Er atmete auf. Jetzt
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