Silberband 062 - Götzendämmerung
und ihnen neugierig entgegenblickten.
Unmittelbar hinter den Buschreihen lag das Dorf. Es bestand aus etwa zweihundert Hütten, die aus roh behauenen Baumstämmen errichtet waren. Auf den Dächern erhob sich jeweils eine mannshohe Blütenkapsel, die einen leuchtendroten Blütenschirm trug. Aus einigen dieser Kapseln lugten die Köpfe der Tubbodkinder hervor.
Boda Bodamore gab seinem Diener einen Wink. Arialeinen ließ das Segel erschlaffen. Die Windheule fiel auf den Boden zurück, rutschte noch einige Meter weiter und blieb dann liegen.
»Mein Herr läßt euch grüßen!« rief Arialeinen. »Möge die Gnade Antaranaras bei euch sein und der Schirm des Lebens euch beschatten.«
Einer der drei Tubbods trat dicht an die Windheule heran. Er musterte Bodamore mit scheuen Blicken. Der Weise blickte reglos in die Weite. Für ihn schien weder das Dorf, das Götzenbild noch ein Tubbod zu existieren.
Der Tubbod trug in jedem seiner beiden Ohren leuchtende Perlen. Ein von den Schultern bis auf den Boden herabfallendes Gewand bekleidete ihn. Nur die grünlichen Organbeutel an den Hüften blieben unbedeckt.
»Ich bin Saman, der Priester«, sagte der Mann. »Bist du der Diener eines Weisen?«
»Siehst du es nicht selbst?« fragte Arialeinen hochmütig. »Betrachte nur die Ohren meines Herrn Bodamore. Sie tragen die roten Blasen der Weisheit. In diesen schweren Tagen gibt es nur einen Mann auf diesem Planeten, der dieses Zeichen trägt.«
Der Priester stieß einem der anderen Tubbods die Faust in die Seite.
»Schnell!« befahl er. »Gib das Zeichen der Weisen!«
Der Mann eilte davon. Boda Bodamore sah ihn in einer der Hütten verschwinden. Wenig später erschien er auf dem Dach. Er hielt ein armlanges Holzrohr in den Händen. Erregt schob er es in eine Öffnung der Blütenkapsel, die auf der Hütte wuchs. Dann blies er mit aller Kraft in das Rohr. Ein dumpfer Laut ertönte, der rasch heller und lauter wurde. Die Kapsel begann zu schwingen. Immer kräftiger und durchdringender wurde der Ton, bis er das ganze Tal erfüllte.
Von allen Seiten kamen Männer und Frauen auf die Windheule zu. Sieben Kinder sprangen von den Hüttendächern herab und näherten sich neugierig dem Weisen.
»Herr«, flüsterte Arialeinen. »Vergiß nicht, daß ich Hunger habe. Bitte, laß deine Weisheiten noch ein wenig schlummern.«
»Die Stunde ist wichtig, Arialeinen«, antwortete Bodamore.
»Sieh, die Leute sind doch so nett. Es würde sie sicherlich kränken, wenn du ihre Gehirne allzusehr strapazierst, bevor wir anständig gegessen haben.«
Boda Bodamore blickte zu dem Götzenbild hinauf, welches das Tal überragte. Am Kopf des mächtigen Standbildes schimmerten zwei riesige Augen. Dem Weisen schien es, als schauten sie ihn voller Zorn an.
Tonka Valuz lag bäuchlings auf dem Boden. Als er den Kopf hob, sah er zwei faustgroße, grüne Augen, aus denen ihm nackte Mordlust entgegenfunkelte. Er hörte die Schreie seiner beiden Freunde, sprang auf und rannte auf die Außenbegrenzung des Freigeheges zu.
Der Säbelzahntiger machte eine lässige Bewegung und versperrte ihm den Weg.
»Freunde«, äußerte der Sergeant. »Eigentlich müßte ich doch jetzt schlagartig nüchtern werden, aber davon spüre ich nichts. Kann denn so etwas angehen?«
Das Raubtier bleckte die Zähne. Phil Aupon und Mandry O'Loon hatten den Wassergraben überwunden, die begrenzende Felswand erklommen und befanden sich jetzt jenseits der Publikumsbarriere. Sie warfen mit kleinen Steinen nach der Bestie.
»Stell dir mal vor, Tonka«, schrie O'Loon, »dieser Tiger kommt von Kamikilla III! Wie findest du das?«
Tonka Valuz interessierte diese Nachricht wenig. Abermals versuchte er zu fliehen. Er sah, daß der Säbelzahntiger durch die Steine abgelenkt wurde. Er rannte auf ihn zu, sprang mit einem Satz über ihn hinweg und landete kopfüber im Wassergraben. Blitzschnell erreichte er die Felswand, in die Eisenstreben eingelassen worden waren. Für die Bestie bot die Wand ein unüberwindliches Hindernis. Valuz konnte sich retten. Der Tiger setzte ihm nach und versuchte, ihn mit den Pranken zu erreichen, hatte jedoch keinen Erfolg damit.
Tonka Valuz stieg bewußt lässig über die Barriere. »Das war mein erstes Bad in diesem Jahr«, sagte er. »Noch ein klein wenig kühl, findet ihr nicht auch?«
Mandry O'Loon blickte ihn sprachlos an. Phil Aupon tippte ihm aufgeregt gegen die Schulter.
»Während du dich hier mit einem Kätzchen amüsiert hast, habe ich mich umgesehen,
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