Blutige Verfuehrung 4
1. Eine wertvolle Fracht
Orlando verlässt die Tiefgarage des Hotels und biegt in eine vierspurige Straße ein, die uns in Richtung Süden bringen soll. Doch wir stehen erst mal im Stau. Es ist noch immer Berufsverkehr. Ich sitze neben ihm, aber er schaut stur geradeaus. Was ist nur vorgefallen, dass er plötzlich so unfreundlich zu mir ist? Ich war einigermaßen pünktlich und habe kein schlechtes Gewissen, dass ich die Nacht mit Nicholas verbracht habe. Eigentlich hätten wir auch ein paar Tage in München bleiben können, davon bin ich ausgegangen. Die Shoppingtour, die mir versprochen war, hatte nicht stattgefunden.
Ich hätte gerne meine Freunde besucht, doch auch das war nicht möglich gewesen in der kurzen Zeit. Wenn jemand einen Grund hatte sauer zu sein, dann ich. Ich verkroch mich in dem gemütlichen Autositz und zog einen Schmollmund. Mit Orlando würde ich nur sprechen, wenn er das Wort an mich richtete, beschloss ich.
Stattdessen gab ich mich ganz der Erinnerung an die letzte Nacht mit Nicholas hin. Wenn ich ihn jetzt auch nicht mehr fühlen konnte, in meinen Gedanken war er bei mir, seine unglaublich zärtlichen Lippen, seine Hitze, die ich auf meiner kühlen Haut gespürt hatte. Ich fragte mich, warum ihm der Temperaturunterschied nicht aufgefallen war, aber Nicholas war einfach so verliebt, dass er das gar nicht bemerkt hatte. Ich nahm mir vor, bei unserem nächsten Treffen Farbe zu bekennen und ihm zu sagen, dass ich zu einem Vampirclan gehöre. Ich stellte mir sein Entsetzen vor und hoffte nur, dass seine Liebe stark genug sein würde, mich nicht zu verlassen.
Auf meinem Handy erreichte mich eine SMS von ihm, die sagte:
"Wenn wir uns das nächste Mal wiedersehen, lasse ich dich nicht wieder gehen. Mein Leben ist nichts wert ohne dich!"
Mir entfuhr ein großer Seufzer und der Blick, den mir Orlando zuwarf, wirkte gequält und missbilligend. Er hasste es, nicht im Bilde zu sein und nicht zu wissen, warum ich ausgerechnet Nicholas liebte – einen Sterblichen.
"Du hast ihm noch nicht die Wahrheit gesagt?", fragte er plötzlich in die Stille. Obwohl wir uns noch nicht lange kannten, wusste Orlando immer ziemlich genau, wo ich in meinen Gedanken war. Deshalb sagte ich:
"Du brauchst dir über meine Angelegenheiten keine Sorgen zu machen!" Er entgegnete:
"Deine Angelegenheiten sind jetzt die Angelegenheiten des Clans und darüber muss ich mir sehr wohl Sorgen machen." Und er fügte hinzu:
"Unser Vater hat mich an deine Seite gestellt, damit du dich schneller an das Leben und die Regeln im Clan gewöhnst. Er ist zu sehr mit seinen drei Frauen beschäftigt, dass er sich um dich nicht auch noch kümmern kann."
"Vielleicht erklärst du mir dann endlich die Regeln, die ich als Clan-Fürstin beherzigen sollte!", sagte ich provozierend. Ich sah, wie sich Orlandos schlanke Finger um das Lenkrad krallten. Er sagte, ohne mich an zublicken in scharfem Ton:
"Regel Nummer Eins lautet: Verliebe dich nie in einen Sterblichen!"
"Diese Regel kommt für mich zu spät!", sagte ich zornig.
"Nicholas gehört zu mir und das wird sich so schnell nicht ändern, egal ob er sterblich ist oder nicht!" Orlando lachte lautlos in sich hinein.
"Du glaubst doch nicht wirklich, dass ein junger erfolgreicher Börsenmakler aus einer der angesehendesten Münchner Familien sich dauerhaft mit einem 'Vamp' einlässt! So naiv kannst nicht einmal du sein."
Okay, er wollte sich mit mir streiten, das hatte ich verstanden. Wir hatten eine lange Fahrt vor uns und ich war in der Stimmung, es mit ihm aufzunehmen.
"Wenn der Clan meint, dass ich meine persönlichen Wünsche plötzlich zurückstelle, dann werdet ihr ein Problem bekommen!", sagte ich vorwurfsvoll und fügte hinzu:
"Ich habe mich nicht nur zu eurem Vorteil umwandeln lassen, ich werde meine eigenen Regeln aufstellen, schließlich habt ihr mich fast einstimmig zu eurer Fürstin gewählt. Und das mit Nicholas werde ich schon regeln. Er liebt mich und seine Familie spielt dabei keine Rolle!"
"Große Worte, liebe Lucia", gab er mir spitz zur Antwort.
"Doch du vergisst, dass unser Clan zum Regieren auch noch einen männlichen Regenten braucht!" Ich sah Orlando sprachlos an. Er hatte meinen Schreck bemerkt, denn er hielt inne.
"Was soll das heißen?", fragte ich, als ich meinen ersten Schock überwunden hatte.
"Das heißt, dass es an deiner Seite demnächst einen Fürsten aus dem Clan der Visconti oder der Consentinos geben wird."
"Du meinst, ich soll einen dieser
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