Silberband 069 - Die Hyperseuche
Wettervoraussagen gehört. In den nächsten vierzehn Tagen gibt es in Mitteleuropa massenhaft Schnee. Es wird geradezu ideales Wetter für einen Winterurlaub herrschen. Wir werden uns eine Woche lang mal richtig austoben. Phillip weiß bestimmt nicht einmal mehr, wie Schnee aussieht. Ich habe in Garmisch-Partenkirchen bereits Zimmer buchen lassen. Bei dieser Gelegenheit könnten wir auch das Dorf aufsuchen, in dem ich geboren wurde. Ich muß gestehen, daß ich mich darauf eigentlich am meisten freue … Aber Liebling, was hast du?«
Layana war von ihm abgerückt. »Nichts«, sagte sie frostig.
Er rückte nach und umfaßte sie von hinten. »Komm, sei nicht so störrisch wie ein falsch programmierter Robot«, raunte er ihr ins Ohr. »Dir mißfällt doch irgend etwas an meiner Idee. Willst du es mir nicht sagen?«
»Also gut«, sagte sie spitz und wandte sich um. »Ich habe mir immer schon gewünscht, an der Elfenbeinküste Urlaub zu machen. Und …«
»Davon hast du mir nie etwas gesagt«, meinte er entgeistert.
»Du hättest dir denken können, daß ich den Wunsch habe, meine Heimat zu besuchen«, entgegnete sie zornig. »Aber nein, du willst in das Nest, in dem du zur Welt gekommen bist. Das zeigt, wie egoistisch du bist!«
Er schwieg betroffen. Nach einer Weile sagte Layana versöhnlich: »Tut mir leid, Horst, daß ich eben so heftig war. Aber ich habe mir gerade heute gedacht, wie schön es wäre, wieder einmal in meine Heimat zu fahren. Würdest du mir zuliebe nicht auf den Winterurlaub verzichten?«
»Aber an der Elfenbeinküste ist jetzt keine Saison«, versuchte er sie umzustimmen. »Die Wettermacher haben …«
»Ich pfeife auf die Wettermacher«, unterbrach sie ihn. »Ich möchte, daß du mit mir meine Heimat besuchst.«
»Unsere Heimat ist die gesamte Erde«, versuchte er ein letztes Mal einzuwenden.
»Ich möchte zur Elfenbeinküste«, beharrte sie.
»Wenn du stur bist, kann ich es auch sein«, sagte er zornig. »Ich lasse es mir nicht nehmen, meinen Geburtsort aufzusuchen. Mein Entschluß steht unabänderlich fest.«
»Dann werden sich unsere Wege trennen«, erklärte Layana. »Ich fahre nur an die Elfenbeinküste. Und ich nehme Phillip mit.«
In diesem Moment erschien Phillip im Wohnzimmer. Er mußte das Streitgespräch mit angehört haben, denn er wirkte verstört.
»Er ist alt genug, um selbst entscheiden zu können«, sagte Horst Leiner. »Willst du lieber mit deiner Mutter nach Afrika oder mit mir nach Europa fliegen, Phil?«
Der Junge zuckte die Schultern und blickte unentschlossen von einem zum anderen.
»Ich weiß nicht. Ich möchte so gern eure Heimat kennenlernen. Aber ich kann mich nicht entscheiden. Am liebsten möchte ich an beiden Orten gleichzeitig sein …«
Kaze Kazzalo hatte in Südafrika eine neue Heimat gefunden. Er hatte mit der Pension, die ihm die Solare Flotte zahlte, ein herrliches Auskommen. Und er war nach der Pensionierung klug genug gewesen, sich nicht auf einer dieser Rentnerwelten anzusiedeln, sondern auf der Erde zu bleiben.
Er fühlte sich nie einsam. Denn er hatte in Johannesburg einige ehemalige Flottenmitglieder um sich gesammelt und den Veteranenklub ›Partisan‹ gegründet.
Fast jeden Tag fand man sich dort ein, um über die alten Zeiten zu reden, über die momentane Disziplinlosigkeit der Flotte zu schimpfen und über die solare Politik zu lästern. Das alles war nicht besonders ernst gemeint; es gehörte ganz einfach zu den Veteranen, vom ›Goldenen Zeitalter‹ zu schwärmen, als sie noch selbst aktiv waren.
In letzter Zeit sprach man im Klub nur über ein Thema – das Heimweh. Es wurde nicht so kraß ausgedrückt, aber unterschwellig sickerte bei allen durch, daß sie sich irgendwie zur Heimat ihrer Väter gezogen fühlten.
Kaze Kazzalos Vater war ein Eskimo, der seinen Plastik-Iglu noch auf Grönland stehen hatte und in den Eisbären- und Robbenreservaten auf die Jagd gegangen war.
»Wenn ich daran denke, welches abenteuerliche Leben mein Vater geführt hat, werde ich wahnsinnig«, sagte Kazzalo. Er war bereits 147 Jahre, aber immer noch rüstig und voller Tatendrang. »Ich möchte nach Grönland. Und ich werde hinfahren.«
Zuerst war das nur so ein Gedanke, aber dann wurde es zur fixen Idee. Andere Veteranen äußerten ähnliche Wünsche wie er. Huin Lin Foreman war der Sohn eines Amerikaners und einer Eurasierin; er wollte die Chinesische Mauer besuchen. Cheek Tahomey hatte noch Spuren indianischen Blutes in den Adern;
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