Silberband 073 - Schach der Finsternis
Stunden gewesen, der instabile Zustand zwischen Abgereistsein und Noch-nicht-Angekommensein, ein Schweben in einem Raum, der von grotesk verzerrten Abbildern wirklicher und unwirklicher Dinge erfüllt war. Dazu vor allem die Ungewißheit: Was war geschehen? War der Versuch der Wiedervereinigung mißglückt? War dies der Dauerzustand, das unruhige Schweben inmitten verzerrter Spiegelungen?
Und dann plötzlich – Licht! So rasch wie beim ersten Mal: die Verknüpfung des Bewußtseins mit dem Körper, der erste Blick durch die Augen, die ersten Geräusche durch die Ohren empfangen, derselbe Raum wie zuvor, dieselben Gesichter, nur ein wenig besorgter als zuvor. Kein Wunder, es war etwas geschehen. Etwas Unvorhergesehenes, Gefährliches hatte sich ereignet.
Dicht neben der Kuppel, einen Schritt von den andern getrennt, als müsse er sich und der Welt ständig vor Augen führen, daß er nicht dazugehöre: der kleine Mann, der sich Ling Zoffar nannte.
»Alles in Ordnung?« fragte Perry Rhodan.
»Vorläufig«, antwortete der Arkonide.
Ling Zoffar mischte sich ein: »Ich muß darauf hinweisen, daß diese Unterhaltung gegen meine Empfehlung geführt wird. Bitte, Sir, schonen Sie sich nach Kräften. Je weniger Anstrengung Sie sich im Laufe der nächsten fünfzig Stunden unterziehen, um so rascher wird sich der Wiedervereinigungsprozeß vollziehen.«
Perry Rhodan war bereit, seinen Rat zu beherzigen. Auf der anderen Seite jedoch mußte er wissen, was sich hier abgespielt hatte. Atlans und Roi Dantons Gesichtsausdruck schien anzudeuten, daß es sich um eine ernstzunehmende Angelegenheit gehandelt haben mußte.
»Was war?« fragte er knapp.
Atlan gab ihm eine gedrängte Schilderung. Er berichtete nur Fakten. Die Schlußfolgerung mochte Rhodan selber ziehen.
»Anti-ES gibt also keine Ruhe, wie?« resümierte er nachdenklich.
»Darauf läuft es hinaus«, bestätigte der Arkonide. »Die Suche nach dem geheimnisvollen Mann namens Ricardo ist in vollem Gang.«
»Aber man wird ihn nicht finden«, prophezeite Rhodan pessimistisch.
»Damit ist zu rechnen«, bestätigte Atlan. »Erfahrungsgemäß besitzen die Geschöpfe von Anti-ES Fähigkeiten, die unsere Vorsichtsmaßnahmen kindisch erscheinen lassen.«
»Was hätte – wenn man den Zwischenfall einmal vergißt – als nächstes auf dem Programm gestanden?«
»Nach deiner Wiederherstellung … ein öffentlicher Auftritt, bei dem du in Anwesenheit weltbekannter Ärzte erklärst, du seist soeben von einer gefährlichen Krankheit geheilt worden. Damit sagen wir keine Unwahrheit, höchstens eine Teilwahrheit …«
Rhodan war verblüfft. »Warum das? Aus deinem Bericht war zu schließen …«
»Ich weiß, daß soweit alles in Ordnung ist. Aber eben nur soweit. Es hat in der jüngsten Vergangenheit einen regen Reiseverkehr zwischen Terra und Tahun gegeben. Es ließ sich nicht vermeiden, daß davon etwas an die Öffentlichkeit sickerte. Man ist besorgt. Man hält den Großadministrator für krank, sogar für ernsthaft krank. Es wäre gut, wenn den Spekulationen so rasch wie möglich die Spitze genommen werden könnte.«
Rhodan grinste unternehmungslustig. »Warum nicht gleich die ganze Wahrheit?«
»Du bist und bleibst ein Barbar, Terraner«, antwortete der Arkonide spöttisch. »Es war politisch notwendig, meinen wir, die Öffentlichkeit an der Nase herumzuführen. Aber die Öffentlichkeit läßt sich nicht gern an der Nase herumführen, und wer ihr sogleich nach vollzogener Tat lauthals zu verstehen gibt, er habe sie genasführt, der muß damit rechnen, daß er an Sympathien verliert.«
Perry gab einen Seufzer von sich. »Ich wollte, solcherart Politik bliebe mir erspart. Aber schön, wenn du meinst, geben wir eben die Wahrheit Stück für Stück preis, damit sich niemand vor den Kopf gestoßen fühlt. Mittlerweile können die Vorbereitungen ungehindert fortschreiten. Ich habe die Absicht, genau auf die Weisungen des Arztes zu hören, und werde in fünfzig Stunden wieder voll und ganz auf den Beinen sein. Also …«
»Selbst dann, Sir«, meldete Ling Zoffar sich zu Wort, »ist Schonung nach wie vor angebracht. Man darf nicht übersehen …«
Perry Rhodan unterbrach ihn mit einer knappen Handbewegung. »Fünfzig Stunden gestehe ich Ihnen zu, Herr Mediziner«, sagte er, »aber keine Sekunde mehr. Bis dahin muß ich wieder so gut wie neu sein, verstanden?«
Die Stunden verstrichen, zunächst voll banger Spannung, wann der unheimliche Gegner seinen nächsten Schlag
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