Silberband 076 - Raumschiff Erde
Erde landet. Aber uns, dem einfachen Volk, ginge es nach Leticrons Landung nicht schlechter als bisher. Im Gegenteil …«
»Du redest wie ein Blinder vom Sonnenuntergang«, fiel ich ihm ins Wort. »Die Regierung hat Leticrons Drohungen nicht erfunden, sie sind ernst. Er will die Menschheit versklaven, und mit der Hilfe der Laren wird ihm das gelingen, wenn wir uns nicht rechtzeitig aus dem Staub machen.«
Nelliver Heron wurde allmählich zornig. Er mochte es nicht, daß ich ihm das Heft aus der Hand nahm. Das war seine Ansprache, das waren seine Zuhörer … und plötzlich kam ich und stahl ihm die Hauptrolle.
»Das will ich sehen!« brüllte er voller Wut. »Sonst halte ich es für Schwindel.«
»In dem Augenblick, in dem du es siehst«, lächelte ich ihn an, »bist du entweder schon halb tot oder nicht mehr Herr deines eigenen Willens.«
Dann ließ ich ihn einfach stehen und wandte mich direkt an die Masse der Zuhörer, die ich im Halbdunkel des Parks undeutlich vor mir sah.
»Laßt euch von diesem grünen Jungen nichts vormachen!« rief ich. »Das Vorhaben der Regierung ist gut durchdacht. Die fähigsten Köpfe der Menschheit haben das Problem immer und immer wieder durchgerechnet und sind darauf gekommen, daß unsere Erfolgsaussichten mehr als 99 Prozent betragen. Die Erde wird von der Sonne gelöst – das ist richtig. Aber sie wird in wenigen Wochen eine andere Sonne umkreisen, fern von hier, in einem Raumsektor, den die Laren nicht finden. Und für die Übergangszeit ist eine Zwischenlösung gefunden worden, die euch pro Tag ebensoviel Wärme und Sonnenlicht gibt, wie ihr es gewohnt seid. Darum sage ich: Informiert euch über die Pläne der Regierung, sie sind öffentlich. Aber hütet euch vor einem: Fallt nicht auf diese falschen Propheten herein, die über die Pläne der Regierung lästern, ohne eigene brauchbare Vorschläge zu haben. Sie haben nicht im Sinn, euch aufzuklären, euch neue und bessere Wege zu weisen. Sie verfolgen ihre eigenen, dunklen Ziele, von denen nicht wenige wahrscheinlich darauf gerichtet sind, dieses Staatsgebilde ins Chaos zu stürzen. Denn im trüben, sagen sich die falschen Propheten, läßt sich's besser fischen …«
Mit Nelliver Herons Beherrschung war es zu Ende. Aus den Augenwinkeln sah ich ihn mit geballten Händen an auf mich zustürzen. Das war sein Fehler. Er hätte der Menge seiner Zuhörer nicht besser beweisen können, daß er am Ende seiner Weisheit war, als durch seinen Angriff auf mich.
Im letzten Augenblick wirbelte ich herum. Heron war so blind vor Wut, daß er mit voller Wucht mitten in meinen Linkshaken lief. Es gab ein knirschendes Krachen. Er hob sich auf die Fußspitzen, als zöge ihn ein Unsichtbarer an den Haaren. Ich sah seine Augen glasig werden. Er wankte und stürzte auf die dünnen Plastikbohlen des Podiums. Ich wischte die Knöchel der Faust über die Montur und wandte mich ein letztes Mal an die Menge. »Ich hoffe, dieser Zwischenfall öffnet euch ein wenig die Augen«, sagte ich.
Das Gemurmel war erstorben. Ich stieg vom Podium herab. Die Leute machten mir bereitwillig Platz. Ich erreichte die Straße und sah, daß sie nicht mehr blockiert war. Mein Mietwagen freilich hatte sich längst aus dem Staub gemacht. Ich rief einen anderen und erreichte 15 Minuten später Imperium-Alpha.
Mein Erlebnis am frühen Morgen war, wie sich bald herausstellte, nur der Anfang einer äußerst bösartigen Entwicklung. Gegen acht Uhr morgens liefen die ersten beunruhigenden Meldungen über revolutionsähnliche Zustände in vielen Gegenden der Erde ein. Es gab kaum Zweifel daran, daß in der Mehrzahl der Fälle Untergrundorganisationen am Werk waren, die Terraner aufzuhetzen, und daß sie mit ihrer Hetze erfolgreich waren. Über ihre Motive ließ sich weniger aussagen. Es gab magere Hinweise, daß viele der Agitatoren der Meinung waren, man könne mit Leticron weniger mörderische Bedingungen aushandeln, wenn die gegenwärtige Regierung des Solaren Restimperiums erst einmal gestürzt war. Aber wir waren unserer Sache nicht sicher. Galbraith Deightons Leute waren fieberhaft an der Arbeit, und in wenigen Tagen würden wir genau wissen, welche Beweggründe sich hinter dieser künstlich geschürten Unruhe verbargen. Doch für den Augenblick war die Sache noch viel zu neu, noch viel zu unausgegoren, als daß wir mehr als Ahnungen darüber hätten haben können, was da eigentlich im Gange war.
Gegen Mittag des 2. Februar befand sich die ganze Erde in
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