Silberband 076 - Raumschiff Erde
Herzen schon aufgegangen wäre, hätte ich damit rechnen müssen, daß die Menge über mich herfiel.
Es war ein langer, mühseliger Weg; aber schließlich stand ich nicht weiter als zehn Meter von dem Podium entfernt, auf dem der Langmähnige mit seiner lärmenden, armeschwingenden Tirade gerade wieder am Ausgangspunkt angekommen war.
»Laßt euch nicht verschaukeln, Leute …!« schrie er.
Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, daß unter seinen Zuhörern einer einen Megakom besaß. Ich zog das kleine Gerät aus der Tasche, schaltete es an und sprach hinein: »Hör auf, Junge! Du weißt nicht einmal, worüber du redest!«
Megakoms haben die Eigenschaft, einen zu überraschen. Sie sehen so unscheinbar aus, aber die Lautfülle, die sie von sich geben, ist phänomenal. Meine Stimme überlagerte die des Redners ohne Mühe. Sie hallte weithin, bis über die Ränder des Parks hinaus.
Der Rothaarige hielt verblüfft inne. Bevor ihm zum Bewußtsein kam, worauf er sich da einließ, fragte er: »Wer … wer war das?!«
Ich reckte den freien Arm in die Höhe. Der Park war um diese Zeit gewöhnlich nur von ein paar vereinzelten Sonnenlampen beleuchtet. Für die Vorstellung des Rothaarigen waren ein paar Flutlichter angebracht worden, die jedoch in der Hauptsache das Podium des Redners beleuchteten und die Menge der Zuhörer im Halbdunkel ließen. Der Mann auf der primitiven Rednertribüne konnte zwar meinen hochgereckten Arm sehen, aber mich nicht erkennen.
»Hast du etwas Wichtiges zu sagen, so komm rauf, Junge!« rief er ins Mikrophon, so daß es weithin durch den Park hallte. »Ansonsten laß mich in Ruhe!«
»Das habe ich durchaus«, antwortete ich durch den Megakom, »und ich komme.«
Die vordersten Zuhörerreihen machten mir bereitwillig Platz. Es war im Grunde genommen eine gutmütige Menschenmenge, die sich zu so früher Stunde – die meisten wohl auf dem Weg zur Arbeit – im Park eingefunden hatte. Sie war des Spektakels wegen gekommen, nicht aber, um sich neue Erkenntnisse zu verschaffen. Man versprach sich zusätzliche Aufregung von einer Debatte zwischen mir und dem Rothaarigen. Hauptsächlich deswegen ließ man mich so gerne durch. Von denen allerdings, die mich erkannten, ging bald ein dumpfes Gemurmel aus, das sich in Windeseile über den ganzen Park verbreitete. Als ich die drei Plastikstufen erklommen hatte und vor dem Redner stand, dröhnte der Park wie ein riesiger Bienenschwarm.
Der Rothaarige trat überrascht einen Schritt zurück. Er faßte sich jedoch schnell und grinste. Es war ein hämisches Grinsen, und die Geschwindigkeit, mit der er sich von seiner Verblüffung erholt hatte, bewies seine umfassende Schulung.
»Welch unglaubliche Ehre!« rief er sarkastisch in sein Mikrophon. »Der Staatsmarschall höchstpersönlich beglückt uns mit seiner Gegenwart! Hallo, Staatsmarschall! Nett, dich hier zu haben. Reginald Bull in eigener Person. Deine Freunde nennen dich Bully, nicht wahr?«
»Ja, aber du bist nicht mein Freund«, knurrte ich ihn an.
»Gut«, schnarrte er, »ich will es auch gar nicht sein.«
»Du kennst meinen Namen«, ging ich zur Offensive über. »Hast du auch einen, den du uns allen sagen könntest?«
»Ich bin Nelliver Heron«, antwortete er, für den Bruchteil einer Sekunde aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich nahm an, daß er sich für einen Mann hielt, den jedermann kennen müsse. Aber er war klug genug, mir das nicht unter die Nase zu reiben.
»Also schön, Nelliver Heron«, sagte ich in den Megakom, »du hast der Regierung vorgeworfen, daß sie unverantwortliche Pläne schmiedet. Daß sie die Leute verschaukeln will. Daß sie, ohne die Gefahren ihres Vorhabens zu kennen, sich auf ein Experiment einlassen will, das uns alle den Kopf kosten kann. Gesetzt den Fall, das alles wäre richtig. Gesetzt den Fall, die Absicht der Regierung hätte nur zehn Prozent Aussicht auf Erfolg – welche Alternative hättest du anzubieten, Nelliver Heron, die eine größere Überlebenschance für uns alle in sich birgt?«
Er lachte hell auf, ein wenig gezwungen, und schrie in sein Mikrophon: »Dieser Leticron ist uns als ein wahrer Buhmann vor Augen geführt worden! Und von wem? Von der Regierung! Niemand weiß, welche Absichten Leticron wirklich hat. Ich für meinen Teil behaupte, daß er so schlimm gar nicht ist, wie die Regierung ihn hinstellt. Wahrscheinlich habt ihr Eierköpfe nur Angst um eure Posten, die Leticron natürlich einkassieren wird, wenn er auf der
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