Silberband 080 - Menschheit am Scheideweg
Vorderbeine von sich spreizte und als Gleichgewichtshilfe benutzte.
Yumeko dagegen konnte ihre Gefühle nicht so gut verbergen. Sie stieß einen kleinen Schrei des Entzückens aus. Sie und Tak Son hatten über ein Vierteljahr an der Konstruktion dieses Wesens gearbeitet. Yumeko konnte sich nicht mehr erinnern, von welchem Tier die Eizelle stammte, die als Ausgangsbasis gedient hatte. Zu viele genetische Veränderungen waren inzwischen vorgenommen worden, bis schließlich das entstanden war, was ihnen als Ziel vorgeschwebt hatte.
»Es scheint perfekt«, sagte Tak Son, während er befriedigt zuschaute, wie das Geschöpf die Nahrung, eine Kombination synthetischer Stoffe, verschlang.
»Schon«, meinte Yumeko. »Aber ich bin gespannt, wann es seine ersten Eier legt. Eigentlich sollte es in spätestens einer Woche so weit sein. Wir werden ein Bombengeschäft machen.«
»Ja«, sagte Tak Son. Er war plötzlich auffallend einsilbig geworden. Es würde schwierig sein, Abnehmer für die neue, Eier legende Tierart zu finden.
›Animals Impossible‹ war eine junge Firma. Er und Yumeko hatten sie wenige Wochen vor der Besetzung Olymps durch die Laren und die Truppen Leticrons gegründet. Seitdem stagnierte die Wirtschaft: Die hoch entwickelten Industrien Olymps mussten im Auftrag des neuen Ersten Hetrans oder im Auftrag der Laren arbeiten; Import und Export brachten nur noch minimale Gewinne, und täglich wurden Freihändler durch die Schergen Leticrons verhaftet.
Deshalb zuckte er nervös zusammen, als der Türsummer ertönte. »Wer kann das nur sein?«, murmelte Tak Son und ging zur Tür. Er zuckte erschrocken zurück, als er sie öffnete und die vier schwer bewaffneten Überschweren sah. Sie trugen Kampfanzüge der Besatzungstruppen Leticrons. Draußen, auf der Straße der kleinen Bungalowsiedlung außerhalb von Trade City, wartete ein Flugpanzer.
Der Anführer der Truppe, ein Sergeant, grinste und sagte: »Sind Sie Dr. Tak Son?«
»Der bin ich«, antwortete Tak unsicher. »Was wollen Sie von mir?«
Der Sergeant schob ihn mühelos zur Seite. »Uns bei Ihnen umsehen«, erklärte er. »Befehl vom Standortkommandanten.« Hilflos musste Tak Son zusehen, wie die vier Überschweren in sein und Yumekos Haus eindrangen und die Zimmer durchwühlten.
»Was suchen Sie denn?«, fragte Tak händeringend den Sergeanten. »Ich besitze weder Waffen noch andere verbotene Dinge.«
»So?«, meinte der Sergeant gedehnt und hielt ein Buch mit dem Titel ›Die Verfassung der Freihändler von Boscyks Stern‹ hoch. »Und was ist das?«
»Es enthält die Entwicklung unserer Verfassung«, antwortete Tak Son.
Der Überschwere grinste niederträchtig, packte das geschlossene Buch mit seinen derben Händen und zerriss es, als sei es nur ein Blatt Papier.
»Da haben Sie Ihre Verfassung!«, erklärte er drohend. »Ich werde mir überlegen, ob ich Sie nicht wegen schweren Verstoßes gegen die Gesetze der Militärverwaltung festnehmen soll, Dr. Son. Der Besitz dieses Buchs ist ein Verbrechen.«
»Was geht hier vor?«, fragte Yumeko, die lautlos ins Wohnzimmer gekommen war. Sie blickte den Sergeanten furchtlos an.
Der kompakt gebaute Überschwere musterte die zartgliedrige Erscheinung Yumekos. Seine Augen glitzerten dabei. »Wer sind Sie?«, erkundigte er sich.
»Das ist Dr. Yumeko Chandri, meine Geschäftspartnerin und Lebensgefährtin«, sagte Tak Son, bevor Yumeko antworten könnte.
»Aha!«, meinte der Sergeant abfällig. »Sie haben also keinen Ehekontrakt. Vielleicht sollten wir Dr. Chandri mitnehmen. Ich könnte eine Haushälterin brauchen.«
»Ich protestiere!«, sagte Tak Son zornig. »Auch die Gesetze der Militärverwaltung geben Ihnen nicht das Recht, grundlos eine Lebensgemeinschaft zu zerstören.«
Der Überschwere leckte sich über die Lippen. »Wer sagt Ihnen denn, dass ich keinen Grund habe«, erwiderte er. Er wechselte das Thema. »Was ist das überhaupt für ein Geschäft, das Sie betreiben?«
»Wir stellen Tiere nach Maß her, sozusagen genetische Kompositionen«, antwortete Yumeko. »Unser neuestes Produkt ist ein Vogel, von dem wir eine tägliche Eierproduktion von zwölf Stück erwarten.«
»Verrückt!«, sagte der Sergeant. »Los, zeigen Sie mir dieses Superhuhn!«
Tak Son und Yumeko führten ihn ins Labor, wo auf Monitoren noch immer ihr neues Geschöpf zu sehen war. Es hatte seinen Futternapf inzwischen geleert und hüpfte in seinem geräumigen Käfig mit großen Sprüngen auf und ab.
»Das soll ein Huhn
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