Silberband 084 - Eine Galaxis stirbt
abflogen, spürten sie das eiförmige Gebilde nicht mehr auf. Eine Untersuchung ergab lediglich, dass das Gerät Judiths heckseitige Außenwandung durchschlagen hatte. Wohin es sich danach gewandt hatte, war nicht zu ermitteln.
Allerdings stellte sich bei gründlicher Überprüfung der Löcher, die das ›Ei‹ hinterlassen hatte, heraus, dass der Ausdruck durchschlagen irreführend war. In Wirklichkeit konnte das Gerät die Wände nicht mit physischer Gewalt durchdrungen haben, da sein Material – wie Tongos Untersuchungen ergeben hatten – nicht fester als das Material der betreffenden Wände war. Zudem wiesen die Löcher eine gemeinsame Eigentümlichkeit auf: Sie waren an den Rändern molekular ausgedünnt, was den Schluss nahe legte, dass sich das fehlende Material durch eine unbekannte physikalische Einwirkung aufgelöst hatte.
»Vermutlich ein dimensional übergeordnetes Feld«, erklärte Vainah Mucco, nachdem sie die Untersuchungsergebnisse geprüft hatte. »Ähnlich einer Transmitterwirkung, würde ich sagen.«
»Fassen wir zusammen«, sagte Atlan grimmig. »Die Wissenschaftler des Obmanns Iratio Hondro haben uns mit dem Roulette-Ei ein Erbe hinterlassen, das eine verhängnisvolle Entwicklung einleiten kann, wenn wir das Gerät nicht bald finden und zerstören. Ich fürchte, seine Programmierung basiert auf der galaktopolitischen Lage zur Zeit Iratio Hondros. Das heißt, das Ei könnte dazu gedacht sein, in der Milchstraße ein Chaos auszulösen.«
»Ich halte das für Schwarzseherei, Sir«, widersprach Coal Xenopl. »Wie sollte ein derart kleines Gerät, das keinesfalls raumflugtauglich sein kann, in unserer Galaxis ein Chaos auslösen? Es ist nicht in der Lage, Last Hope zu verlassen.«
»Es sei denn, an Bord eines SVE-Raumers«, warf Vren Hortox ein.
»Larische Energieraumschiffe sind für ein vor über tausend Jahren konstruiertes kybernetisches Gerät ein siebenfach versiegeltes Schloss«, behauptete Luria Satang.
Bela Tongo schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, nein«, sagte er. »Wenn das Ding tatsächlich ein Elektronengehirn mit artspezifischem Bewusstsein und der Fähigkeit zu intuitivem Denken ist, kann es jede Sachlage erfassen, verarbeiten und in seinem Sinn nutzen. Es muss sich dabei nicht einmal an seine Grundprogrammierung halten. Wahrscheinlich wird das von ihm angerichtete Chaos sogar umso größer sein, je selbstständiger es handelt. Ich sehe ein, dass ich es hätte zerstören sollen.«
Atlan wandte sich an a Tiger-Noir: »Bitte geben Sie den Körper für einige Zeit zurück, Noir. Ich brauche Tigers Rat.«
Der Cyborg-Psychologe stand einige Minuten lang wie erstarrt mit halb geschlossenen Augen da, dann öffnete er die Lider ganz und erklärte: »Noirs Bewusstseinsinhalt hat mich über Parzival informiert.«
»Parzival?«, fragte Atlan.
»So nannte Noir das Gerät«, sagte Vuju a Tiger. »Sie wollen wissen, wie sich Parzival nach seiner Flucht aus Judith verhalten hat? Meiner Meinung nach befindet er sich auf dem Weg zum nordpolaren Stützpunkt.«
»Das ist kein Stützpunkt, sondern ein riesiges Forschungs- und Produktionszentrum«, korrigierte Vainah Mucco. »So eine Anlage darf man schon ihrer Ausdehnung wegen nicht einfach nur Stützpunkt nennen.«
»Keine Haarspaltereien, bitte.« Atlan wandte sich wieder dem Marsianer zu. »Parzival befindet sich also auf dem Weg zum larischen Stützpunkt, weil er in der alten Anlage unter den Drachenbergen gebaut wurde. Ist das richtig?«
»So ist es«, antwortete der Cyborg-Psychologe. »Er wird dort völlig veränderte Verhältnisse vorfinden und einige Zeit benötigen, um die Lage zu sondieren und seine Schlüsse zu ziehen.«
»Das wollte ich wissen. Wir haben also eine zusätzliche Mission auf Last Hope zu erfüllen: Parzival finden und zerstören! Vorher werden wir diesen Planeten nicht verlassen.« Atlan blickte Vren Hortox an. »Ich denke, dass Parzival selbst uns dabei helfen wird.«
Als Judith nach ihrer Nachtruhe am Morgen des folgenden Tags ›erwachte‹, brachen Atlan, a Tiger-Noir und Xenopl-Yokida auf. Mit ihren Anzugdetektoren konnten sie die Kaltluftzonen über den Rückenpanzern der Marschiere-Viels anmessen. Sie bestimmten die Positionen der Tiere, die Judith am nächsten waren, und flogen los.
Noirs Absicht, mit seinen Parakräften an der Schwanzspitze jedes Marschiere-Viels anzusetzen, bewährte sich. Es dauerte nur rund fünf Stunden, die ausgesuchten Kolosse anzufliegen, posthypnotisch zu beeinflussen und
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