Silberband 097 - Rebell gegen ES
bemerkte Ankamera, ohne sich näher zu erklären. »Ihr erinnert euch, was unser Beweggrund war. Wir wollten ES zu Aktivitäten provozieren. Doch ES hat bis heute nicht reagiert. Inzwischen glaube ich zu wissen, warum nie eine Reaktion erfolgte. ES weiß nichts von unserem Verschwinden.«
»Wie meinst du das?«, wurde Ankamera von vielen gefragt.
»ES hat uns völlige Entscheidungsfreiheit gegeben und beaufsichtigt uns nicht. Das ist für mich der beste Beweis, dass ES uns über alle anderen Intelligenzen stellt – auch über die Terraner. ES akzeptiert uns als gleichberechtigt.«
»Ist es nicht vermessen, wenn wir uns auf eine Stufe mit ES stellen?«, fragte Sylda. »Wir stehen erst am Anfang eines Entwicklungsprozesses, dessen Ende wir gar nicht absehen können.«
»Doch, das können wir«, behauptete Ankamera. Nachdem sie sich erst einmal überwunden hatte, das Thema aufzugreifen, ging sie aus sich heraus. »Es klingt fast absurd, aber erst das Leben auf dieser primitiven Welt, der Rückfall in die vorkonzeptionelle Zeit, als wir noch Menschen waren, hat mich unsere Bestimmung erkennen lassen. Ich sehe jetzt die Zusammenhänge. Kommt mir näher, vereinigt euch mit mir, damit wir eins werden – ein Konzept! Und damit meine Erkenntnis auf euch alle übergeht.«
Als alle wieder zu einem Konzept vereinigt waren, erfuhren sie, zu welcher Erkenntnis Ankamera gelangt war. Die Konzepte waren die Vorstufe einer Superintelligenz! Am Ende ihrer Reise durch das Universum, wenn sie alle nur erdenklichen Erfahrungen und alles erreichbare Wissen erworben hatten, würden sie mit ES auf einer Stufe stehen.
Das Ende ihrer Reise würde die Geburtsstunde einer neuen Superintelligenz sein.
»Wir sind Teil der werdenden Superintelligenz. Deshalb ist unser Platz auf EDEN II«, sagte Ankamera. Gleichzeitig aber fragte sie sich, ob sie jemals in das Paradies der Konzepte zurückkehren könnten.
In diesem Moment öffneten sich die Tempeltore, und die Eingeborenen, die zu ihrer Göttin Ankamera und deren Missionaren pilgerten, strömten in die Halle.
Den Echsenabkömmlingen bot sich ein fantastisches Bild. Ankamera stand inmitten ihrer Missionare, die sich einer nach dem anderen in Luft aufzulösen schienen. Zuletzt war nur noch die Göttin selbst da. Sie breitete die Arme aus, blickte mit ihren fremdartigen Augen noch einmal durch die Tempelhalle, bevor auch ihre Gestalt durchscheinend wurde und sich auflöste …
Ankamera hatte wieder Kontakt mit den Konzepten auf EDEN II. Nicht einmal die Kluft von Tausenden Lichtjahren konnte sie trennen.
EDEN II war so nahe, dass sie die Welt paranoetisch erfassen konnte. Es bedurfte nur einer letzten Willensanstrengung, um Fuß zu fassen.
Doch etwas Ungeheuerliches geschah. EDEN II verflüchtigte sich wie eine Fata Morgana. Aber nicht nur das, auch die zwanzig Bewusstseine, die mit ihr das Konzept gebildet hatten, wurden wieder von ihr getrennt und entfernten sich. Ankamera spürte Panik. Was sie auch versuchte, sie konnte die Noemata nicht zurückrufen und das Bild von EDEN II nicht erneuern.
Die Angst, auf die Heimatwelt der Echsenwesen zurückgestoßen zu werden, raubte ihr beinahe den Verstand.
Aber es kam noch schlimmer.
Sie fand sich in der Bewusstseinsballung von ES wieder. Das Erwachen bescherte ihr die schreckliche Wirklichkeit …
Wenn du dich richtig entscheidest, Ankamera, dann wird sich der Traum für euch alle bewahrheiten.
Kinderspiele: Jost Seidel
Wach auf, Jost, du sollst diese finstere Enge verlassen. Entspanne dich und widersetze dich nicht! Ich habe dich wie zwanzig Milliarden andere in meinem Schoß getragen, nun sollst du in deinen Körper und damit ins Leben zurückkehren. Die Zeit des Wartens ist vorbei, du bist nicht länger nur ein nacktes Bewusstsein. Erblicke das Licht von EDEN II, wo du ein Kind unter Kindern sein kannst. Es sind Kinder jeden Alters – und es sind meine Kinder. Dort, auf EDEN II, sollt ihr erwachsen werden.
Erlebe, wie dein Reifeprozess verlaufen könnte, Jost!
Es war ein Tag wie jeder andere auf EDEN II, wobei noch nicht feststand, wie lange der Tag dauern würde. Er hatte mit dem Einflug in das Sonnensystem begonnen und würde enden, sobald man es wieder verließ. Während des Fluges herrschte Dunkelperiode, das war so eine Verrücktheit des Wettermachers.
Jost Seidel lag im Farnkraut und beobachtete aus halb geschlossenen Augen die Fleischfresserpflanze vor seinem Haus. Insekten wurden in Schwärmen von ihrem Duft angelockt
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