Silberband 098 - Die Glaswelt
stabilisierte sich sein Konterfei.
»Kann ich Sie unterstützen, Tatcher?«, erkundigte er sich hoffnungsvoll.
»Sie können bei SENECA veranlassen, dass die Hyperinpotronik eine Serie bestimmter Sekundärnetzschaltungen vornimmt. Weitere Erklärungen würden zu viel Zeit beanspruchen.«
»Sie sind Ihnen erlassen, Tatcher.«
Ich hielt den Schaltplan hoch, sodass der Arkonide ihn sehen und duplizieren konnte. Dabei dachte ich daran, dass der Kybernetiker, der den Plan nach meinen Wünschen angefertigt hatte, bestimmt nicht informiert war, dass Tomay Lydons Bewusstseinsinhalt in einem bestimmten hyperinpotronischen Ableger von SENECA existierte. Andernfalls hätte er mir den Plan sicher nicht überlassen.
»In Ordnung, Tatcher«, sagte Atlan. »Ich leite den Schaltplan sofort an SENECA weiter. Für welche Zeitdauer wünschen Sie die betreffenden Schaltungen?«
»Bis auf Widerruf. Allerdings hoffe ich, dass innerhalb einer halben Stunde alles erledigt sein wird.«
»Sie werden Dalaimoc helfen können?«
»Mit ziemlicher Sicherheit.«
»Wenn Sie das schaffen, haben Sie einen Wunsch frei – und er wird erfüllt, sofern er im Bereich des Möglichen liegt, Tatcher.«
Ich schloss die Augen und wünschte mir, einen anderen Aufgabenbereich zu erhalten, bei dem ich den Tibeter so gut wie nie mehr zu Gesicht bekäme.
»Ich schaffe es, und wenn ich dazu zu Fuß bis an die Grenze des Universums gehen müsste!«, sagte ich inbrünstig und schaltete ab.
»Hallo, Tomay!«, rief ich und fühlte mich dabei so elend, als hätte ich einen Menschen umgebracht.
Auf der Kontrolltafel des hyperinpotronischen Ablegers veränderte sich nichts. Die Chefärztin der Paranormstation konnte mich demnach weder hören noch sehen. Sie war blind und taub – und verantwortlich dafür waren die Sekundärnetzschaltungen, die SENECA auf meine Veranlassung und nach meinem Plan vorgenommen hatte.
Selbstverständlich hatte ich alles so errechnen lassen, dass Tomays ›Körper‹ nicht deaktiviert wurde. Dennoch konnte ich mir vorstellen, wie erschrocken sie darüber sein musste, dass ihre Verbindung zur Außenwelt plötzlich abgebrochen war.
Da die Sekundärnetzschaltungen auch die Türverriegelungen gelöst hatten, benötigte ich diesmal Tomays Hilfe nicht, um in das Krankenzimmer des Tibeters zu gelangen.
Seine roten Augen starrten mir wieder provozierend entgegen.
Ich stellte die Tasche mit meiner Ausrüstung ab. »Einen schönen Gruß von BARDIOC, Sir!«, sagte ich. »Er lässt Ihnen ausrichten, Sie möchten ihn bei Ihrer nächsten Reise in eine andere Dimension besuchen. Er gibt Ihnen zu Ehren eine Party.«
»Was faseln Sie da, Sie marsianische Höhleneule?«, fuhr das Scheusal mich an. »Hätten Sie mir lieber meine Gebetsmühle mitgebracht! Was wollen Sie eigentlich mit dem schweren Gepäck?«
Ich öffnete die Tasche und nahm Rorvics Gebetsmühle heraus. Sie sah aus wie immer. Dennoch war ihr Innenleben völlig verändert. Ich hatte ein Gerät einbauen lassen, das psionische Energie erzeugte und mit einer Leistung von rund drei Megapsion ausstrahlte. Es handelte sich um einen miniaturisierten Nachbau des Psionstrahlers, der von terranischen Wissenschaftlern vor längerer Zeit konstruiert worden war, um der Falle eines Wesens zu entkommen, das sich ›Jota Großer Berg‹ nannte.
»Da haben Sie Ihre Kaffeemühle, Sir!«, sagte ich und legte die Gebetsmühle auf seine Brust.
Er schaltete sie ein, presste sie fest an sich und schaute verzückt auf den rotierenden fleckigen Stofffetzen, auf dem früher ›Om mani padme hum‹ gestanden hatte. Ein Witzbold hatte die Inschrift mit schwarzem Fettstift so abgeändert, dass sie ›Oh Mami gib mir Rum‹ hieß. Aber Rorvic bemerkte es überhaupt nicht.
Ich beobachtete das Scheusal mit größter Spannung. Der kleine Psionstrahler war noch nicht eingeschaltet, was ich mit einem Funkimpuls nachholte.
Da jedes parapsychisch begabte Lebewesen je nach dem Aktivitätsgrad seines entsprechenden Gehirnsektors mehr oder weniger psionische Energie aufsog, musste die zusätzliche Zuführung sich irgendwie auswirken. Wie, das wusste ich nicht, aber ich hoffte, dass Rorvic sich dermaßen auflud, dass er als Träger psionischer Energie sogar dann noch anzumessen war, wenn er in eine unbekannte Dimension verschwand.
Als seine Umrisse verschwammen, holte ich mein Peilgerät aus der Arbeitstasche. Es zeigte genau 3,021 Megapsion an. In den nächsten Sekunden löste Rorvic sich auf. Die Gebetsmühle
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