Silberband 102 - Aufbruch der Basis
1.
Der Kollektor spürte die wachsende Bedrohung. Im Status der Zersammlung, wie Dargist seinen gegenwärtigen Zustand bezeichnete, war der Kollektor der einzige Mechanismus, mit dem er seine Umgebung wahrnehmen konnte. Zersammelt zu sein, das bedeutete, dass die Bestandteile seines Körpers über das gesamte Gelände verstreut waren.
Die Gefahr nahm seit einiger Zeit an Intensität zu. Aber noch war der Augenblick des Handelns nicht gekommen. Dargists Denken war rein zweckgebunden. Ihn berührte nicht, dass er nicht wusste, wer er war. Er beschwerte sich auch nicht über die Eintönigkeit seines Daseins, denn obwohl er ein ausgeprägtes Wahrnehmungsvermögen besaß, war die Zahl der Gedanken, die er formulieren konnte, eng begrenzt.
Dargist kannte seine Umgebung recht gut. Er sah die Geschöpfe, von denen die Gefahr ausging. Es wurden immer mehr, darum nahm die Intensität der Bedrohung ständig zu. Diese Geschöpfe waren das Erste, was sich an seiner Umwelt jemals geändert hatte. Das Register hingegen war immer da gewesen. Es enthielt den Wert null, solange Dargist sich im Zustand der Zersammlung befand. Doch bald würde es eine binäre Eins zeigen – das Signal, dass er den Status der Konzentration annehmen und mit der Bekämpfung der Gefahr beginnen solle.
Payne Hamiller war in den vergangenen Tagen einigermaßen zur Ruhe gekommen, zumal Boyt Margor sich nicht mehr bei ihm gemeldet hatte.
Hamiller hatte sich an Bord der BASIS eingerichtet. Er war der wissenschaftliche Leiter des Unternehmens, das sich ›Expedition PAN-THAU-RA‹ nannte. Jentho Kanthall, der Kommandant der BASIS, unterstand ihm unmittelbar. Inzwischen waren die ersten Kontingente der Besatzung, die insgesamt zwölftausend Personen betragen würde, von der Erde angekommen.
Die BASIS war nicht weniger als ein Wunder. Dank der kombinierten Unterstützung durch die Bordpositronik und die Paraverknoter flog sich das riesige Gebilde so handlich wie eine Space-Jet.
Wenigstens einmal am Tag trafen sich Hamiller, Kanthall und die Mitglieder ihres inneren Stabes zu einer Besprechung und diskutierten den Fortgang der Startvorbereitungen. Drei Tage vor dem Aufbruch der BASIS in bisher unerforschte Regionen des Universums, am 28. April 3586, zweifeite niemand mehr daran, dass die BASIS zum vorgesehenen Zeitpunkt starten werde.
Die Besprechungen fanden üblicherweise in einem Konferenzraum neben der Hauptzentrale statt. Zu Kanthalls Stab gehörten Walik Kauk, dessen Frau Marboo sowie der ehemalige Ka-zwo namens Augustus, allesamt Mitglieder der TERRA-PATROUILLE. Hamiller hatte sich auf einen ständigen Stab noch nicht festgelegt. In seiner Begleitung, wenn er zu Besprechungen erschien, befand sich gewöhnlich Kershyll Vanne, das Konzept.
»Ich habe nie zuvor an großen Unternehmungen teilgenommen, bei denen es so wenig Schwierigkeiten gab. Wissen Sie, dass das gefährlich ist?«, eröffnete Kanthall.
»Nein. Wieso?« Hamiller zeigte sich überrascht.
»Es vermittelt ein falsches Gefühl der Sicherheit. Wir wissen nicht, was uns am Ziel erwartet, nur, dass es einer Gefahr zu begegnen gilt, die diesen Sektor des Universums vernichten kann. Ich muss mir das immer wieder einreden, weil mir sonst das Bewusstsein entgleitet, an einer gefährlichen Mission beteiligt zu sein.«
»Ich hoffe, das fällt Ihnen nicht allzu schwer«, bemerkte Hamiller. »Jeder an Bord muss sich über die Gefährlichkeit des Fluges im Klaren sein.«
Mara Bootes, von ihren Freunden Marboo genannt, schmunzelte. Mehr hübsch als schön, eher burschikos als feminin, hatte das Schicksal ihr anscheinend die Rolle eines Glückspilzes zugedacht. Für die Positronik-Technikerin hatte das Leben keine Probleme; sie war schwer aus der Ruhe zu bringen.
»Wenn ich mir das so anhöre, bin ich direkt froh, dass in meinem Sektor nicht alles ganz einwandfrei ist«, sagte Marboo.
»Warum? Was ist los?«, fragte Hamiller.
»In einem Peripherierechner ist ein Register nicht ansprechbar.«
»Wie haben Sie das festgestellt?«
Marboo bedachte den Rat für Wissenschaften mit einem Blick, der ihm zu verstehen gab, dass dies keine sonderlich intelligente Frage war. »… beim Programmieren, als ich das Register als Befehlszähler verwenden wollte«, antwortete sie. »Ich bekam die Meldung, dass das Register nur privilegierten Anwendern zur Verfügung steht.«
»Es handelt sich also nicht um ein echtes Versagen, sondern um eine planmäßige Beschränkung?«
Marboo zuckte mit den Schultern. »Aus
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